„Projektmanagamentplattform“ ist ein sperriges Wort das nach etwas klingt, was man lieber vermeidet wenn man die Möglichkeit dazu hat. Tatsächlich haben wir von PhysikOnline schon mehrmals, jeweils im Abstand von zwei Jahren, unsere Projektmanagament-Erfahrung dokumentiert: 2012 beim Launch unseres PhysikOnline-Team-Trackers: Wirfs in den POTT!! – Projektmangament in der Praxis, und 2014 nach dem tausendsten Ticket eine Revision des Projektmanagaments ohne E-Mails. Doch selbst bei dem relativ homogenen PhysikOnline-Projekt haben wir zwischenzeitlich mit anderen Plattformen gearbeitet: Da war etwa JIRA von Atlassian für POKAL, konnte sich aber nach Abschluss der Programmierung an POKAL nicht langfristig durchsetzen.
Nach POKAL haben wir auch bei PhysikOnline einen schleichenden Umzug zur Code-Hosting-Plattform Github gemacht und hosten dort als Projekt PhysikOnline-FFM unseren Code. Github bietet neben Quellcode-Repositorien auch die Möglichkeit an, zu jedem Projekt eine Wiki und einen Bugtracker zu aktivieren. In der Gratis-Version von Github sind diese ebenso wie die Software zwangsläufig OpenSource und damit ohne Anmeldung für jeden verfolgbar; am aktivsten ist unser Bugtracker dabei beim Goethe-URL-Shortdienst, er dient anders als unsere bisherigen Plattformen nicht nur dem Verfolgen unserer Arbeiten und Bugs, sondern auch der Diskussion von neuen Funktionen direkt mit Benutzern unserer Plattform, die sich bei Github ein eigenes Account stellen können und sofort mitdiskutieren können.
Wir beobachten aber mittlerweile, dass die Slack-Plattform am ehesten das Potential besitzt, den langen Traum der Reduktion von E-Mails Herr zu werden. Slack funktioniert wie ein Chat, in dem es Gruppenräume und Einzelgespräche gibt. Man kann Dateien aller Art posten und direkt darüber diskutieren. Damit passt Slack gut zu der hektischen, wenig strukturierten Wirklichkeit von studentischen Projekten in denen weder Zeit noch Lust bleibt, Aufgaben einzusortieren. Slack mit seiner App für Android und IPhone passt sich auch dem digitalen Normadentum an, welches ständig online ist und Fragen debattiert, egal ob in der Bahn oder im Bett. Dafür erntet die erfolgreiche Anwendung auch Kritik: Im Internet wird sie manchmal als das „längste Meeting der Welt“ beschimpft, welches weder Punkt noch Pause kennt. Eines schafft sie jedenfalls: Die E-Mails zu reduzieren.
Slack wirkte im Videoprojekt RiedbergTV auch wie eine Glaskugel in die Zukunft: Sie sagte zu Zeiten der größten Teamausdehnung (fast 30 Mitarbeiter zum Jahreswechsel 2015/16) anhand der Benutzeraktivitäten schon vorraus, wer in einem Jahr noch dabei ist (etwa 5-10 Mitarbeiter im November 2016). Das liegt daran, dass unmotivierte Mitarbeiter als erstes scheuen, die Aktivierungsenergie aufzubringen, sich in Programme zur Teamorganisation einzuarbeiten.
Für RiedbergTV sind wir mittlerweile bei Freedcamp gelandet, wohingegen die neue Generation an PhysikOnline-Mitarbeitern die Software Asana benutzt. Beides sind geschlossene Plattformen bei denen man also ohne Account nicht zuschauen kann, wie das Team funktioniert. Beides sind im Gegensatz zu Slack aufgabenorientierte „traditionelle“ Anwendungen die etwa gerne Erinnerungsmails verschicken. Trotzdem sind sie nötig, um eine Gegenpode zu dem endlosen Nachrichtenstream darzustellen, den Slack verspricht. Sie dienen daher nicht als Ersatz, sondern Ergänzung. Gegen die bisher bei PhysikOnline genutzte Software POTT spricht seine Unübersichtlichkeit, der Mangel an Funktionen und mobilen Anwendungsmöglichkeiten und die vielen alten offenen Aufgaben, die sich da noch gesammelt haben.
Auch wenn der Autor selbst nicht mehr aktiv beim Projekt arbeitet, ist es dennoch interessant zuzusehen, welche Wege beim Projektmanagament eingeschlagen werden. Klar ist, dass man viel ausprobieren muss, um festzustellen wie ein Team am besten arbeiten kann. Es gibt auch nicht das eine Optimum für ein studentisches Team welches lange Bestand haben kann: Studentische Teams fluktuieren stetig in ihrer Anzahl und Qualifikation der Studierenden, und wo Anfang des Jahres noch die Mehrheit technisch affine Windows-Benutzer gewesen sein mögen, können Ende des Jahres schon eine jüngere Generation an technisch unversierten Studierenden mit der Durchführung des Projektes beschäftigt sein, die eine optimale Lösung für ihren Lebensstil um ihr IPhone und IPad herum suchen. Eine besondere Rolle nimmt bei der Entscheidung nach Software die Frage nach dem „Eigenhosting“ oder einer kostenlosen, auf fremden Servern („in der Cloud“) laufenden Software ein. Beim Dokumentenmanagament etwa hatten wir Erfahrung mit Dropbox und Google Drive. Während Google Docs zum kollaborativen Bearbeiten von formatierten Text- und Tabellendokumenten noch den Defakto-Standard darstellt (mit Microsoft Office 365 wächst erst langsam eine gewinnorientierte Konkurrenz heran) kann unsere selbst gehostetet PhysikOnline Cloud, auf der OpenSource-Software OwnCloud basierend, Dropbox schon längst das Wasser reichen. Das liegt vor allem daran, weil wir in unserer eigenen Cloud praktisch keine Limits bei Dateigrößen und Mengen haben: Festplatten sind günstig und der Internetanschluss der Goethe-Universität aus unserer Perspektive quasi unbegrenzt. So nimmt unsere Owncloud bequem 10TB in Anspruch. Beim Gratis-Dropbox hingegen ist derzeit bei 2GB Schluss, wobei alle zwischen Benutzern geteilte Ordner davon abgezogen werden.
Aber auch unsere OwnCloud wird nicht für ewig sein. Studentische Projekte, bei denen Webdienste involviert sind, benötigen Leben, Aktivität und Veränderung, um zu bestehen. Wir müssen immer auch kalkulieren, was nach der Projektlebensphase passiert, unser digitales Erbe produzieren wir permanent. In meinen Augen ist es noch eine offene Frage, welche Antworten uns cloudbasierte Angebote dazu geben können.
Dieser Blogeintrag wurde koveröffentlicht auf dem Blog von PhysikOnline unter Slackify your Project.