Im zweiten Teil unseres Talks haben wir unter anderem darüber gesprochen, welche Unterstützungen für das Online-Studium wir uns von Seiten der Universität wünschen, wie man Schwierigkeiten ausgleichen könnte und was wir aus dem digitalen Studium für die Zukunft mitnehmen.
Hast du in der Coronakrise etwas gemacht, was du noch nie zuvor getan hast?
Sandra J.: Ich habe mir zum ersten Mal Kleidung online bestellt. Ich weiß, es klingt total dumm, aber ich bin überhaupt keine Zalando- oder H&M-Bestellerin gewesen. Ich hasse auch Shopping. Aber ich habe jetzt einfach Sachen gebraucht und konnte nirgendwo hingehen. Und dann war mir klar: Du musst dich diesem Ding jetzt stellen und online Kleidung bestellen. Es hat geklappt und es passt auch. Ich bin sehr glücklich.
Niklas: Ich habe auch ein paar Sachen, die ich vorher noch nie gemacht habe. Ich war kurz vor der Pandemie gerade erst von meinem Auslandssemester aus Dänemark zurück und bin dann alleine in eine Wohnung gezogen in Frankfurt. Ich habe Ende letzten Jahres einen Menschen kennengelernt, mit dem ich jetzt zusammen wohne. Sachen wie Yoga, Meditation habe ich vorher in dem Ausmaß auf jeden Fall noch nicht gemacht und ich habe angefangen, politisch aktiv zu werden. Ansonsten beschäftige ich mich mehr mit Pflanzen und Gärtnern.
Hanna: Ich habe aufgrund der aktuellen Situation entschieden, dass ich jetzt erstmal für ein Jahr aus dem Studium aussteigen will, um ein FÖJ zu machen. Und ich glaube, dass ich da richtig viel dazu gewinnen kann, wenn das wirklich klappen sollte. Grundsätzlich habe ich ja einen sehr negativen Blick auf die aktuelle Studiensituation, aber, dass ich mich getraut habe, diesen Schritt zu gehen, ist definitiv etwas, dass ich dem zu verdanken habe.
Sandra L.: Ich habe zum ersten Mal unterrichtet. Ganz am Anfang war ich echt nervös, weil ja alles online war, und ich habe mich in den Zoom-Meetings nicht wohl gefühlt und dann musste ich noch unterrichten! Und das war natürlich erstmal schwierig, aber hat dann doch gut funktioniert. Außerdem habe ich ein neues Nebenfach angefangen, was nochmal eine andere Art der Herausforderung ist. Darüber haben wir auch schon berichtet, dass, wenn man komplett neu ist in einem Fach, dann alles etwas schwieriger ist. Aber es funktioniert für mich trotzdem erstaunlich gut.
Niklas: Ich habe meinen festen Plan – Bachelor, Master und dann einen Job an der Uni – überdacht und auch nochmal in andere Richtungen geschaut, ob ich vielleicht etwas anderes studieren möchte oder doch noch etwas dazwischen schiebe, weil es so viele interessante Sachen gibt, mit denen man sich beschäftigen kann.
Was bräuchtet ihr von der Uni, um diese Schwierigkeiten ausgleichen, bzw. beseitigen zu können?
Hanna: Ich hätte eigentlich gerne einen Arbeitsplatz an der Uni. Also keinen in der Bibliothek, sondern einen mit stabiler Internetverbindung, von wo aus ich meine Zoom-Meetings machen kann, weil meine Verbindung zu Hause immer abbricht. Ich finde, da muss irgendwas passieren, dass man sich Arbeitsräume buchen kann. Ich meine, die Räume stehen ja alle leer, und wenn man das halbtags macht, wie es in den Bibliotheken ist…
Niklas: Ich habe diese Möglichkeit, ein Büro zu haben, nicht so oft genutzt. Anfangs dachte ich, das würde mir viel bringen, aber es ist dann doch eine Überwindung, nochmal extra in die Uni zu fahren, wo man dann wieder alleine in einem Raum sitzt. Auch wenn es sicherlich ganz gut wäre, diese Trennung von Arbeitsplatz und Wohnbereich zu haben. Was aber gut getan hat, war generell einfach mal wieder an die Uni zu gehen und gerade auch in der Sammlung zu arbeiten, weil ich gar keinen Bezug mehr hatte zu meinem Hauptfach Archäologie. So war es wieder okay: Ah, das sind die Steine, mit denen ich mich normalerweise beschäftige! Dann hatte ich wieder mehr Motivation, weiter zu studieren. Der Zugang zum Unigelände ist, glaube ich, etwas Wichtiges.
Sandra L.: Es ist nicht unbedingt in der Skandinavistik ein Problem, aber als ich zum Wintersemester einen Fachwechsel hatte, hätte ich mir bessere Erreichbarkeit und mehr Kapazitäten für Fragen und Probleme gewünscht. Vielleicht könnte man feste Sprechstunden einrichten, auch über Zoom oder übers Telefon, damit man miteinander reden kann und nicht nur E-Mails schreiben muss. Generell wichtig fände ich eine finanzielle Unterstützung oder auch eine Unterstützung durch Sachmittel, also technische Ausstattung für das Online-Studium. Weil einige Studierende mit ihrem Handy in der Zoom-Sitzung sind und auch damit Texte lesen und Aufgaben bearbeiten und abgeben. Das ist total umständlich und das belastet, glaube ich, extrem und man lernt weniger effektiv. Da müsste man für gleiche Bedingungen sorgen.Und die BAFöG-Coronahilfen, die waren unzureichend.
Anny: Ja, die waren ein Witz. Die meisten haben es sowieso nicht bekommen und auch sonst brauchen Studierende einfach bessere Möglichkeiten, um finanzielle Unterstützung zu bekommen.
Niklas: Ich glaube es wäre superwichtig, Studierenden einen Raum zu geben für den Austausch. Gar nicht mal nur für diesen sozialen Aspekt, sondern eben auch für die fachliche Diskussion. Eigentlich sollte Studieren ja nicht nur das reine Auswendiglernen von Sachen sein, sondern auch die Gespräche nach einer Sitzung, in denen man mit Kommiliton*innen redet und sich darüber austauscht, was man gerade gehört hat. Ich glaube, das ist das Wichtige an dem Ort Universität: dass Wissen nicht nur aufgenommen, sondern sich weiter darüber ausgetauscht wird. Ich habe es noch nie mitgekriegt, dass irgendjemand [nach dem Seminar] im Zoom-Meeting bleibt und sich nochmal austauscht. Es ist ja auch so, dass man immer gleich zu allen redet. In Präsenz hat man ja die Möglichkeit, vielleicht erst zu zweit, zu dritt zu sprechen. Man muss nicht immer gleich alleine vor dem ganzen Raum stehen.
Sandra J.: Ich fände ein einheitliches universitätsumfassendes System gut, das alle Dozierenden nutzen können, um die Studierenden zwei Tage vorher nochmal an eine Deadline zu erinnern. Ich bin lost in Deadlines. Hinzu kommt, dass in verschiedenen Seminaren unterschiedliche Plattformen verwendet werden. Das heißt, dass ich innerhalb von einer Woche Zoom, Moodle, OLAT, iversity, Rocket Chat, Online-Foren, Etherpad, Google Docs, QIS/LSF, BSCW etc. verwenden muss. Da brauchen wir ein einheitliches System, das alle Dozierenden nutzen und das benutzerfreundlicher ist als die aktuellen Systeme.
Wenn ihr die Wahl hättet, würdet ihr euch für ein digitales Studium oder für ein Studium mit Präsenzlehre entscheiden?
Sandra L.: Digital.
Hanna: Ganz klar: Präsenz.
Niklas: Ich würde mich auch für die Präsenz entscheiden.
Sandra J.: Ich bin tatsächlich auch Team Sandra und würde auch ein digitales Studium bevorzugen, alleine wegen meiner Angststörung. Ich kann mich leichter vor den PC als in den Zug setzen. Mir kommt das digitale Studium oft entgegen.
Niklas: Wir brauchen eine Hybridform.
Anny: Ich bin Team Hybrid. Wir brauchen eine Form, die es auch Studierenden ermöglicht an den Seminaren und Vorlesungen teilzunehmen, wenn sie nicht vor Ort sein können. Das wäre eine große Hilfe für. Studierende, deren kleine Kinder zuhause sind, für diejenigen, die eine zu lange Anfahrt haben und für Menschen mit mentalen Schwierigkeiten.
Etwas Positives und etwas Negatives, was du aus den Online-Semestern mitgenommen hast?
Hanna: Zum Positiven: Ich finde es gut, dass ich meinen Tag ein bisschen freier gestalten kann. Ich habe auch das Gefühl, dass ich mehr selbst koche, anstatt mir in den Pausen was in der Mensa zu holen und dass ich dadurch auf Dauer ein bisschen Geld spare. Das Negative: mangelnde Motivation.
Sandra L.: Bei mir ist das Negative, dass meine Aufmerksamkeitsspanne für Online-Unterricht wirklich bescheiden ist, aber das Positive hingegen ist die Erkenntnis, dass ich sehr gut alleine zuhause arbeiten kann, was für meine berufliche Zukunft eine wichtige Feststellung ist, finde ich.
Anny: Das Positive bei mir ist, dass ich als Stubenhocker extrem dankbar für das tatsächliche Rausgehen geworden bin und es mittlerweile sehr schätze. Ich bin in meiner Freizeit meist am Zocken oder Lesen, aber durch dieses ewige vorm PC Sitzen, auch für die Uni, freue ich mich wirklich über jeden frischen Atemzug und Schritt, den ich machen kann. Das Negative ist bei mir Zoom. Wenn ich das Wort “Breakout Room” schon höre, kriege ich Zustände. Es ist eben doch ein völlig anderes Gefühl alles virtuell mitmachen zu müssen als vor Ort sein. Ich kann mich leicht ablenken lassen, wenn es keinen direkten Austausch, sondern eher „Frontalunterricht“ gibt. Im Gegensatz zu anderen finde ich die „Breakout sessions“, die es in vielen Kursen gibt, leider auch nicht so bereichernd, wie sich das manche Dozenten gerne wünschen.
Niklas: Die größten Schwierigkeiten habe ich mit der Motivation und der Aufmerksamkeit. Positiv ist aber, dass ich mir den Tag frei einteilen kann, um z. B. etwas Neues zu lernen.
Sandra J.: Für mich persönlich ist es ein sehr großer Vorteil, dass die Dozierenden offener dafür sind, dass man zwei Seminare gleichzeitig besuchen kann, was in einer Präsenzphase nicht möglich ist. Ein Nachteil ist, es gibt kein Mittsommerfest, keine Weihnachtsfeier – das fehlt mir tatsächlich auch ein bisschen. Ich hoffe, dass wir das bald mal wieder machen können.