Ein Gastbeitrag von Alexander Witzko
Wenn man eine neue Sprache lernt, eröffnet sich eine neue Welt. Beginnt man sein Skandinavistik-Studium an der Goethe-Universität, muss man eine von drei möglichen skandinavischen Sprachen wählen. Dabei handelt es sich um eine schwierige Entscheidung – sie sind alle so schön und jede für sich so besonders. Wenn man dann angefangen hat, entweder Dänisch, Schwedisch oder Norwegisch zu lernen, fällt einem bald auf, dass die Sprachen in vielen Punkten dem Deutschen ähneln und dass man sich beim Lernen leichttut und schnell erste Lernerfolge bemerkt. Jedoch gibt es auch einige schwierige Regeln, die man lernen muss, und über eine möchte ich heute ein wenig mehr erzählen: die Syntax von Nebensätzen. Diese Regel wirkt auf den ersten Blick leicht, aber Lernende haben über einen langen Zeitraum hinweg Schwierigkeiten, sie umzusetzen.
Ein Nebensatz ist ein Satz, der nicht allein für sich stehen kann. Er besteht aus den gleichen Satzgliedern wie ein Hauptsatz, also: ein Subjekt, ein Verb und manchmal auch ein Objekt. Nebensätze mit diesen Bestandteilen werden gleich gebildet wie Hauptsätze, wenn aber ein Satzadverb (z. B. nicht, niemals oder gerne) hinzugefügt wird, verändert sich die bekannte Reihenfolge! Wie? Anstatt das Satzadverb nach dem Verb zu platzieren, wird es vor das Verb gestellt. Auf diese Weise unterscheiden sich Haupt- von Nebensätzen in den skandinavischen Sprachen. Eigentlich könnte man glauben, dass diese Regel sehr einfach zu lernen sei. Sie ist auf jeden Fall viel einfacher zu erklären und zu verstehen als die deutsche Nebensatzwortstellung, bei der sich die Satzglieder viel mehr bewegen. Trotzdem ist die skandinavische Regel schwer zu erlernen, wie ich in meiner Bachelorarbeit herausfand.
Dort untersuchte ich das Erlernen der Nebensatzwortstellung bei Studierenden mit Deutsch als Erstsprache, die Schwedisch lernen. Zu Beginn platzieren die Lernenden nur in 29% aller Nebensätze das Satzadverbial vor das Verb. Die meisten Studierenden wenden die Regel nicht an!
Nach vier Semestern ist die Anzahl der richtigen Nebensätze mit Satzadverbien auf 53% angestiegen. Dieser Prozentsatz ist verhältnismäßig gering, aber der positive Trend setzt sich wahrscheinlich fort, je länger die Sprache gelernt wird. Die Lernenden passen ihre Sprache langsam der Grammatik der Zielsprache an, bei einigen Regeln läuft dieser Prozess schneller ab, bei anderen langsamer.
Aber warum ist die Platzierung kurzer Adverbien in Nebensätzen so schwer zu erlernen? Darauf gibt es einige mögliche Antworten. Manche Forschenden meinen, dass das auf eine universelle Lernhierarchie beruht. Gemäß dieser Hierarchie lernt der Mensch zuletzt, Hauptsätze von Nebensätzen zu unterscheiden.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass zuvor gelernte Fremdsprachen den Lernprozess beeinflussen. Zum Beispiel bei Studierenden, die Englisch oder eine romanische Sprache in der Schule gelernt haben. In diesen Sprachen wird das Satzadverb (meistens) nach den Verben platziert.
Beispiel, fett markiert sind die Satzadverbien:
- Er kocht Tee, weil seine Freundin normalerweise keinen Kaffee trinkt.
- He makes tea because his friend does not usually drink coffee.
- Han kokar te eftersom hans väninna vanligtvis inte dricker kaffe.
Dass der Inhalt eines Nebensatzes die Studierenden beeinflusst, ist eine weitere Möglichkeit. Denn man kann die Wortstellung mit der Modalität – also vereinfacht gesagt die Wahrheit – eines Satzes verknüpfen. Es gibt Beweise, dass diese Annahme stimmt, auch wenn sie sich vielleicht etwas weit hergeholt anhört. Im Schwedischen nämlich wird es zum Beispiel immer häufiger akzeptiert, die Hauptsatzwortstellung in Nebensätzen nach bestimmten Subjunktionen zu gebrauchten, vor allem in den Nebensätzen nach att (dass), aber nur dann, wenn im Hauptsatz ein Verb steht, das Zweifel ausdrückt.
Beispiel, fett markiert sind die Satzadverbien.
- *Jag betvivlar att hon har alltid varit intresserad av djur. (Ich bezweifle, dass sie sich schon immer für Tiere interessiert hat.)
- De andra tyckte att den gamla styrelsen hade ofta varit för passiv. (Die anderen dachten, dass der alte Vorstand zu passiv gewesen war.)
Aber wie kann man denn nun die skandinavische Nebensatzwortstellung besser lernen? Mein Rat: Geh es ruhig an! Man kann eine Sprache nicht nach nur vier Semestern fließend sprechen, auch dann nicht, wenn sie leicht wirkt. Und die Statistiken machen auch deutlich: irgendwann kommt es wie ganz von allein.
Was fällt dir beim Erlernen einer Fremdsprache besonders schwer und hast du Lerntipps für besonders schwierige Regeln?