Andreas Veiel, 114 Minuten, Deutschland
Rezension I von Cecilie Rosenløv Meyn & Sofie Selmer Haagemann (Københavns Universitet)
Eines Dienstagmorgens waren wir, eine Gruppe Deutschstudierender aus Kopenhagen im Kino, um den neuen Dokumentarfilm Riefenstahl zu sehen. Der Film gibt einen tieferen Einblick in das Leben von Leni Riefenstahl. Wer war sie eigentlich?
Leni Riefenstahl ist keine so bekannte Person für die jüngeren Generationen in Dänemark. Es war für uns der erste Kontakt und Einblick in Riefenstahl als Künstlerin und Person. Wir haben deswegen den Film unvoreingenommen gesehen und hatten keine großen Erwartungen. Wir fanden den Film sehr gut und interessant, besonders wegen des originalen Filmmaterials und der Vielseitigkeit von Riefenstahl.
Die Produktionsphase des Dokumentarfilms war langwierig. Die Produzenten haben 700 Kisten mit Material sowie Filmaufnahmen, Tagebüchern, Fotos usw. von Riefenstahl erhalten und versucht, ihre Geschichte zusammenzufassen. Darin zeigt sich, wie schwierig es ist, all die verschiedenen Seiten von Leni Riefenstahl darzustellen.
Vielen filmaffinen Dänen ist Riefenstahl ein Begriff. Das erste Mal wurde sie für ihren Film Das Blaue Licht wirklich anerkannt. Sie spielte die Hauptrolle und hat auch Regie geführt. Sie war sehr ambitioniert, was im Dokumentarfilm für uns deutlich wird. Für diesen Film wollte Riefenstahl auch in Erinnerung bleiben.
Das war der Anfang ihrer Karriere. Mit dem Krieg bekamen ihre Filme auch einen anderen Ausdruck. Riefenstahls Film Olympia wird oft wegen des Körperideals kritisiert, das im Film gezeigt wird. Den Vorwurf hat Riefenstahl nie anerkannt, da sie meinte, es sei nur Kunst. Sie sah sich selbst als Künstlerin, und wenn andere das nicht verstanden, war das nicht ihr Problem.
In der Dokumentation wird es ganz deutlich, dass Riefenstahl nicht mit den Nationalsozialisten verbunden werden möchte. Sie wird mit ihren Beziehungen zu Hitler und Goebbels konfrontiert, und jedes Mal sehen wir, wie defensiv sie reagiert. Ihre starke Reaktion hat auf uns den gegenteiligen Effekt: Es fühlt sich an, als sei sie schuldig. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Ausschnitt aus einem Interview zwischen Leni Riefenstahl und einer normalen Arbeiterfrau. Hier macht die Arbeiterin Riefenstahl für die Entscheidungen verantwortlich, die sie getroffen hat. Riefenstahl stimmt überhaupt nicht zu und meint, sie habe nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern passiert ist.
Am Anfang des Dokumentarfilms hatte man das Gefühl, dass Leni Riefenstahl eine fantastische und fähige Person war. Im Verlauf des Films sieht man aber immer deutlicher, wie sie eigentlich ist: eine zielorientierte Frau, die nur an ihre eigenen Motive denkt.
Rezension II von Astrid Schack & Maria Marstal (Københavns Universitet)
Es ist schwer, sich nicht faszinieren zu lassen, wenn einem die überschönen schwarzweißen Bilder aus Leni RiefenstahlsOlympia (1938) begegnen. Besonders die Zeitlupensequenz mit den schwebenden, kunstspringenden Körpern steht uns immer noch klar vor Augen. Die Faszination bekommt aber einen schlechten Beigeschmack. Es ist unmöglich, ihre Filme, sowohl Olympia als auch den klaren Propagandafilm Triumph des Willens (1934) vom Nationalsozialismus zu trennen. Die Lieblingsregisseurin Hitlers, die 101 Jahre alt wurde (1902-2003), hat jedoch lebenslang auf ihre Unschuld bestanden: Sie habe nichts von den Ungeheuerlichkeiten des Regimes, von der Vernichtung der Juden, gewusst; ihre Werke seien nur Kunst und keinesfalls Nazi-Propaganda.
Immer wieder haben Journalist:innen und TV-Moderator:innen versucht, die Reue in Riefenstahl hervorzulocken. Das scheint aber eine schwierige Aufgabe zu sein, denn Riefenstahl bestreitet ihre Mitschuld und hält eine Fassade aufrecht. Doch wer war Riefenstahl?
Regisseur Andreas Veiel und Journalistin Sandra Maischberger haben durch neugefundenes Material aus Riefenstahls hinterlassenem, gut organisiertem Archiv versucht, diese Frage zu beantworten. 700 Kisten mit Fotos, Tagebüchern, Briefen sowie Mitschnitten alter Interviews und Telefongespräche hat das Team durchgewühlt, um den Collagefilm zusammenzustellen. Der Film zeigt viele Porträtbilder, während man entlarvende Telefongespräche zwischen Riefenstahl und entweder Bewunderern oder Mitläufern hört.
Ab und zu erklingt eine sachliche Erzählerstimme, die uns mit erläuternden Anmerkungen zu den Schnitten durch den Film begleitet. Doch lässt Veiel den Erzähler gerade abwesend genug sein, damit wir als Publikum selbst Riefenstahls unzählige Lügen und ihr Verschweigen selbst zusammenstücken können. Die diskrete Erzählerstimme funktioniert deswegen besonders gut, da wir so einen inneren Prozess gegen Riefenstahl führen können, ausschließlich angesichts ihrer eigenen Worte – Worte, die für sich selbst sprechen.
Für jemanden, der Riefenstahl nicht kennt, wäre der Film wahrscheinlich eine verwirrende Einführung, weil er nicht chronologisch aufgebaut ist. Wir bekommen keine tiefgehende Information über ihre Kindheit, ihre Jugend, oder wie sie in der Filmindustrie angekommen ist. Im Gegenteil nimmt Veiel seinen Ausgangspunkt nur im Archivmaterial und vermag zu zeigen, wie die Regisseurin ihre Unschuld sorgfältig inszeniert und kontrolliert hat – was das eigentliche Anliegen des Filmes ist. Deswegen richtet sich Riefenstahl eher an ein Publikum mit Vorkenntnissen als an eine jüngere Zielgruppe, die nichts von der Regisseurin weiß.
Noch dazu muss erwähnt werden, dass die Dauer des Filmes ein bisschen lang erscheint, denn man bekommt das Gefühl, immer wieder Zeuge des gleichen Interviews zu werden. Das rührt daher, dass die Interviews die gleiche Form annehmen: Der Interviewer fragt nach ihrer Verantwortung – Riefenstahl reagiert mit Wut und Empörung in der Stimme – und bricht danach das Interview ab. Dies zieht sich manchmal in die Länge. Aber vielleicht ist das genau Veiels Intention: den unerschütterlichen Kampf ihrer Schuldlosigkeit zu spiegeln. Auf diese Weise spüren wir, wie Riefenstahl ein kontinuierliches Muster aufgebaut hat, um keine Buße zu zeigen.
Der Film Riefenstahl ist für uns kein typischer Dokumentarfilm. Er ist anspruchsvoll, aber gerade deshalb wirkungsvoll. Die Dokumentation macht deutlich: Riefenstahls beeindruckende Bilder waren nie nur Kunst. Sie waren Teil eines Systems, das Propaganda mit Schönheit vermischte. Am Ende bleibt die entscheidende Frage: Ist es möglich, Kunst von Politik zu trennen? Der Film sagt deutlich: Nein. Ihr Schönheitskult und ihre Selbstbezogenheit haben alles durchdrungen. Im letzten Schnitt des Films sehen wir, wie sich die Regisseurin vor einem Interview mit einem Handspiegel dreht, um genau den richtigen Winkel zu finden. Dieser Moment sagt alles: Selbst am Ende ging es Riefenstahl mehr um die perfekte Selbstdarstellung als um die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit.