Ein Kunstmuseum für Reproduktionen

Im Otsuka Museum of Art kann man auf 5 Stockwerken mehr als 1000 Reproduktionen weltbekannter Kunstwerke betrachten, in originalgetreuer Farbe und Größe, jedoch kein einziges Original.
Die Auswahl der Werke, die einen Überblick über ca. 2000 Jahre westlicher Kunstgeschichte bieten, wurde von 6 KunsthistorikerInnen getroffen. Es ist eine Sammlung von Werken aus 190 Museen in 25 Ländern, von antiken Mosaiken bis da Vinci, El Greco und Picasso. Zum Highlight zählt die Reproduktion der gesamten Sixtinischen Kapelle, die man gleich beim Empfangbereich erblickt.
All die Besitzer der Originalwerke zu überzeugen und deren Erlaubnis zu erhalten, Kopien erstellen zu dürfen, war eine besonders schwierige Aufgabe und dauerte mehrere Jahre. Darauf folgten noch weitere Jahre, um möglichst präzise Reproduktionen herzustellen. Insgesamt wurden $400 Millionen für die Eröffnung des Museums im Jahr 1998 investiert.

Wieso sollte man so viel Geld und Zeit in ein Kunstmuseum investieren, das nur Reproduktionen zeigt?
Dafür werden zwei Hauptgründe auf der Homepage des Museums genannt: Zum einen ist bekannt, dass nur wenige Japaner die Möglichkeit haben, durch die Welt zu reisen. Das Museum möchte daher den Besuchern ermöglichen, die ausgewählten Kunstwerke erleben zu können, ohne aus Japan ausreisen zu müssen. (Es wird jedoch auch hingewiesen, dass die Reproduktionen nicht als Ersatz für die jeweiligen Originalwerke dienen sollen.) Zum anderen ging es um die Entwicklung einer speziellen Technik zur Herstellung von Reproduktionen, die ihre Farbe und Form über 2000 Jahre unverändert erhalten können.

Diese Reproduktionen haben jedoch den Nachteil, dass die Trennlinien zwischen einzelnen keramischen Platten, aus denen jedes Werk zusammengesetzt wird, nicht zu übersehen sind. Zudem ist die Oberfläche ganz flach, es sind also kein Pinselstriche oder einzelne Mosaiksteine zu sehen. Ein Vorteil ist jedoch, dass Schmutz auf der Oberfläche schnell weggewischt werden kann. Manche Besucher machen begeistert Fotos, auf denen sie die “Mona Lisa” berühren.

Das Museum dient nicht nur als Ausstellungsort, sondern auch als Ort für diverse Veranstaltungen. 2013 fand hier ein internationales Kolloquium „Between East and West: Reproductions in Art“ statt, in dem sich KunsthistorikerInnen zum Thema Reproduktionen nicht nur in der westlichen Kunst, sonder erweitert auch im Bezug auf die Kunst in Asien auseinandersetzten. Die Beiträge wurden daraufhin in einer Publikation zusammengefasst. Darin wird u. A. auch der Unterschied im Umgang mit Reproduktionen in verschiedenen Kulturkreisen angesprochen, was vielleicht den Erfolg des Otsuka Museum of Art in Japan erläutert, wobei das gleiche Konzept in Deutschland vielleicht nicht sinnvoll wäre.

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4 Antworten zu Ein Kunstmuseum für Reproduktionen

  1. sroos sagt:

    Mit weniger glatten, flachen Oberflächen und ohne erkennbare Trennlinien zwischen einzelnen Fragmenten kommen die 3D-Reproduktionen von »Factum Arte« aus. Dort fertigen die Mitarbeiter in komplexen Scan-und Printvorgängen nicht nur Faksimiles für große Museen an, sondern versuchten sich auch an der Nachbildung eines seit 1969 verschollenen Caravaggios. Sogar die Pinselstriche des frühbarocken Meisters sollten später auf ihr nachempfunden werden können. Die besondere Schwierigkeit aber ergab sich für alle Beteiligten des Projekts-seien es Maler, Kunsthistoriker, Druckexperten, Restauratoren, Fotografen oder Ingenieure-aus dem Umstand, dass das seit mehr als 40 Jahren verschwundene Werk „Christi Geburt mit den Heiligen Laurentius und Franziskus“ von 1609 nur spärlich fotografisch (und farbig) reproduziert worden war.

    Über das Ergebnis und dessen Wirkung müssen sich hier wie dort-im Otsuka Museum of Art, wie im Oratorium in Palermo-nun die Rezipienten ein Bild machen.

  2. mkamiab sagt:

    Auch von der der Büste der Nofretete im Ägyptischen Museum Berlin wurden 3D-Reproduktionen angefertigt. Auftraggeber war das Museum selbst. Zunächst wurde mittels eines berührungslosen Scans die Daten erhoben, die anschließend von einem 3D-Drucker zu einer Kunststoffbüste verarbeitet wurden. Anhand der 3D-Reproduktion schaffte die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin wiederum eine Gussform für die Anfertigung von Museumsrepliken. Die Technik wurde gewählt, da eine normale Abformung aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Oberfläche nicht möglich war. Allerdings werden diese nicht etwa für Ausstellungskontexte verwendet, sondern für den Verkauf. Fraglich ist, warum diese genauen Reproduktionen der Büste nicht hierfür verwendeten werden (können), vor allem im Hinblick auf die weiterhin aktuellen Rückgabeforderungen.

    Werden die Reproduktionen in Otsuka Museum of Art ebenfalls kommerziell veräußert oder wirklich nur für Ausstellungszwecke verwendet? Gerade bezüglich der stetig wachsenden Präsenz der Museumsshops und den dort zu kaufenden Reproduktionen in Form von Postkarten, Plakaten, etc. ist diese Frage nicht uninteressant.

    • mkamiab sagt:

      Interessanterweise haben die Künstlerin Nora Al-Badri und der Künstler Jan Nikolai Nelles mit dem Projekt „Nefertiti Hack“ ebenfalls ein 3D Scan der Nofretete angefertigt (ohne Erlaubnis) und zum freien Download gestellt. Außerdem wurde ein 3D Druck erstellt, der nun in der Universität in Kairo ausgestellt ist. Sie verfolgen damit einen deutlich anderen Ansatz als das Neue Museum und bringen Surrogate an den ursprünglichen Ort der Originale zurück.
      Download der „Büste“ unter:
      http://nefertitihack.alloversky.com

  3. lwuensche sagt:

    Das Prinzip des Otsuka Museums erinnert an das Jugendbuch Haus der Kunst. Ein Gang durch die europäische Kunstgeschichte von der Höhlenmalerei bis zum Graffiti von Susanna Partsch, das im Jahr 1999 erschien. Innerhalb des Mediums „Buch“ soll mit einem virtuellen Rundgang durch ein fiktives Museum, europäische Kunstgeschichte vom Altertum bis in die Gegenwart vermittelt werden. Im Falle des Buchformats wird jedoch die Rolle der Reproduktion als Vermittlungsstütze, als Illustration von Geschichte deutlicher, während die Reproduktionen im Otsuka Museum vielmehr einen Anspruch auf Originalität zu erheben scheinen.

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