Wir haben den 29. Dezember. Drei Uhr morgens. Ich hake das letzte Buch meiner 52 Bücher ab.
Es ist Wie wir schreiben wollen, eine Sammlung an Essays über das Schreiben mit all seinen Herausforderungen und Ideen, die zwischen verschiedenen Schreibenden durch Fragen stellen weitergegeben wird.
Ich kann es kaum fassen. Am 29. Dezember, nicht erst am 31. Dezember um 23:59. Sehr untypisch für mich. Trotzdem nicht ganz selbstverständlich, dass ich es noch geschafft habe.
Gegen Ende wurde es echt knapp. Anfang Oktober geriet ich in eine sehr schwere mentale Phase, die bis Mitte November anhielt und noch immer nicht ganz durchgestanden ist. In diesen sechs Wochen habe ich exakt nichts gelesen. Es ging einfach nicht. An den meisten Tagen war ich froh, wenn ich Dinge wie Arbeiten, Essen und Schlafen geschafft hatte. Bis dahin war ich wirklich gut in der Zeit und mit den Büchern voraus, was sich nach den sechs Wochen Stillstand natürlich änderte.
Trotzdem war der Wille in mir stark, diese Herausforderung zu schaffen – immerhin hatte ich schon 40 Bücher gelesen. Zum einen fokussierte ich mich darauf, angefangene Bücher fertig zu lesen, um ein wenig schneller voran zu kommen. Zum anderen stöberte ich in der Onleihe gezielt nach Büchern mit weniger als 200 Seiten. Denn man kann wirklich gute Inhalte ja auch mit wenigen Worten vermitteln. Und was spricht dagegen? Ja genau, nichts. Durchhängerphasen muss man nehmen, wie sie sind. Abhaken, weitermachen. Oder in meinem Fall: Weiterlesen. Auf diesem Weg bin ich an einige Bücher geraten, die ich sonst wohl nicht gelesen hätte und bin sehr dankbar für diese Erfahrung.
Hier habe ich auch zurück zu Zadie Smith gefunden, die mit Betrachtungen verschiedene Corona-Essays gesammelt hat, die interessant zu lesen waren. Vor vielen Jahren hatte ich On Beauty gelesen und fand es so gut, dass ich nun noch mehr von ihr lesen möchte. Ähnlich ist es mit Chimamanda Ngozi Adichie: Was für ein toller Schreibstil! Hier muss ich auch unbedingt weiter lesen und werde mir für meinen kommenden Urlaub in der vorlesungsfreien Zeit etwas auf meinen ebook-Reader packen. Im Urlaub lesen ist noch mal anders schön, da freue ich mich schon sehr drauf!
Besonders häufig habe ich in diesem Jahr zeitgenössische Literatur, Ratgeber und Fachbücher zum Thema Minimalismus, Borderline und seine Behandlungsmöglichkeiten sowie ADHS gelesen. Dazwischen waren ein paar Krimis und zwei Reihen für junge Erwachsene, bei denen ich jeweils aus den Trilogien den ersten Band gelesen habe. Da bin ich schon gespannt auf die folgenden Bände, denn ich fand sowohl die Silber-Reihe von Kerstin Gier als auch die Zeitenzauber-Reihe von Eva Völler in ihren Grundideen interessant und schön flüssig geschrieben. Nachdem ich jahrelang von zu viel Vampir-Hype gänzlich abgeschreckt von Jugendliteratur war, bin ich definitiv zurück und möchte da wieder mit offeneren Augen durchs – wenn auch digitale – Buchregal gehen.
Ein paar dunklere Seiten gab es an der Herausforderung jedoch auch: Ich freue mich darauf, ein Buch zu lesen, bei dem ich nicht vorab die Seitenzahlen überprüfe oder nachsehe, wie groß die Schriftgröße ist. Denn natürlich hat man sich die ganze Zeit gefragt, wie realistisch es sei, dieses oder jenes Buch in einem passenden Zeitraum durchzulesen. Daher sind einige Bücher unberührt im Schrank stehen geblieben oder gar nicht erst ausgeliehen worden. Da ich beim Lesen oft impulsiv entscheide, auf was ich gerade Lust habe, war das etwas hinderlich.
Zwischen den Jahren habe ich dann noch ein Buch zu Ende gelesen, dass ich ursprünglich als Hörbuch angefangen hatte: Marianengraben von Jasmin Schreiber. Das Hörbuch war gut – ich konnte nur nicht aktiv zuhören, weil ich zu viel im Kopf hatte. Da habe ich bei Hörbüchern bis heute meine größte Herausforderung und kann nur dann gut zuhören, wenn ich nebenbei etwas sehr entspannendes oder die Gedanken stimulierendes wie Puzzeln oder Ausmalen mache. Ich habe mir das Buch dann online ausgeliehen und dort weitergelesen, wo ich beim Hörbuch aufgehört hatte. Eine gute Entscheidung, denn Dank der Pomodoro-Technik hatte ich es dann sehr zeitnah durchgelesen und nebenbei gearbeitet, so konnte ich direkt zwei Aktivitäten verbinden. Das Buch hat mich allerdings auch emotional abgeholt und sehr berührt, obwohl es gar nicht mein Thema war. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass mich die Feiertage immer mental in ganz andere Gefilde bringen, in denen ich sehr verletzlich bin, oder ob mich der Schreibstil einfach sehr eingenommen hat, ich kann nur sagen, dass ich danach einen richtigen Lese-Hangover hatte. Viele kennen das, wenn sie eine Serie gesehen haben, die sie richtig gefesselt hat und man nach der letzten Folge in ein Loch fällt. So habe ich mich nach diesem Buch gefühlt. Problem an der Sache: Wir hatten den 27. Dezember und es fehlte noch ein Buch. Da konnte ich mir gar nicht die Zeit für meine Gefühle nehmen, was ich wirklich schade fand. Keine Katastrophe, aber auch etwas, das ich für die Herausforderung auf die nicht so gute Seite schieben würde.
Dieses Jahr nehme ich mir nur 24 Bücher vor. Wenn es am Ende mehr werden, ist das natürlich schön. Und ich freue mich auf dicke Bücher wie Der Bücherdieb, die A Song of Ice and Fire-Serie oder Der Schwarm. Vielleicht erzähle ich euch ja wieder davon 🙂
Hattet ihr 2022 einen Lese-Favoriten? Welche Bücher wollt ihr 2023 lesen? Und kennt oder nutzt ihr goodreads? Unsere sehr lese-affine Gruppe freut sich auf Input!