J.R.R. Tolkien: Autor, Erfinder, Genie?!

Seit ich lesen kann, liebe ich Fantasyliteratur. Es gibt zwei Buchreihen, die ich als Kind schon gelesen habe und bis heute immer wieder lesen kann. Harry Potter und Herr der Ringe. Oft fragen mich Leute, welche von beiden ich besser finde. Früher habe ich immer gesagt Harry Potter, weil ich das zuerst gelesen habe und das irgendwie immer mehr im Hype war. Aber erst später habe ich gemerkt, dass man diese Frage gar nicht richtig beantworten kann. Es sind schließlich zwei ganz verschiedene Welten. Beide haben ihre ganz eigene Magie. Aber nur Herr der Ringe hat es geschafft, dass ich tagelang Filmextras geschaut habe, Buchpassagen aus meinem Gedächtnis aufschreiben konnte und unbedingt alle anderen Bücher von diesem Autor lesen wollte. Seitdem ich 2016 in Neuseeland war und echte Drehorte der Herr der Ringe- und Hobbit-Filme besucht habe, bin ich Tolkiens Welt ganz zum Opfer gefallen. Durch Führungen, Filmmaterial und Bücher habe ich nicht nur viel von dieser Welt, sondern auch über den Autor erfahren. Inzwischen würde ich mich nicht nur als Herr der Ringe-Fan, sondern sogar als Tolkien-Fan bezeichnen. Und obwohl ich Harry Potter liebe, habe ich noch nie den Wunsch gehabt, alles über J.K. Rowling zu erfahren oder all ihre Bücher (außerhalb der Potter-Welt) zu lesen. Ich habe mich sonst nie mit Autor:innen und deren Leben auseinandergesetzt, denn ihre Bücher sind das, was für mich im Vordergrund steht. Ich denke, das geht den meisten Menschen so. Mal ehrlich: Wenn eine Person zu euch sagen würde, sie wäre Fan bestimmter Autor:innen, wer von euch würde nicht denken, dass eigentlich die Werke gemeint sind?

Klar bin ich ein Fan von Tolkiens Werken – auch über den Herr der Ringe-Kosmos hinaus. Viele Fans wollen vor allem etwas über die beliebtesten Werke wissen und bleiben in dieser Welt. Hier lohnt sich aber ein Blick hinter die Kulissen, denn so interessant wie seine anderen Werke ist auch seine Person. Das Phänomen Herr der Ringe kommt den meisten bestimmt sehr aktuell vor – es erschien ja z. B. kürzlich erst eine neue Amazon-Serie namens Die Ringe der Macht – deshalb wissen die wenigsten, dass Der Herr der Ringe schon 1954 erschienen ist. Tolkien starb 1973, den riesigen Erfolg seiner Buchreihe bekam er gar nicht mehr mit. Denn erst 2001, das sind 47 (!) Jahre später, hatte der Film zum ersten Buch Premiere. Ich finde es unglaublich, dass ein Buch nach so vielen Jahren noch als relevant genug empfunden wird, um erstmals (!) verfilmt zu werden. Nicht nur die Verfilmung, sondern auch der Schreibprozess war ein langes Projekt. Der Herr der Ringe, der eine Nachfolgeerzählung zu dem Buch Der kleine Hobbit sein soll, erschien erst 17 Jahre nach diesem. Tolkiens Werke jedoch als gut durchdacht zu bezeichnen, ist noch eine Untertreibung. Um das zu erklären, müsst ihr wissen: Er war als Kind schon fasziniert von Sprachen. Tolkien lernte daher ein bisschen Französisch und Deutsch von seiner Mutter und Latein und Griechisch in der Schule. Durch Lehrer und Freunde setzte er sich dann auch mit dem Altenglischen und Gotischen auseinander. In seinem Studium der Sprachwissenschaft begann er irgendwann, sich mit dem Finnischen zu beschäftigen. Obwohl er sich ja nicht gerade einfache Sprachen ausgesucht hat, schien er nicht ausgelastet zu sein und erfand gleich ZWEI eigene Kunstsprachen: Quenya (angelehnt an das Finnische) und Sindarin (inspiriert vom Walisischen). Diese beiden Sprachen werden später von den Elben in Herr der Ringe angewendet. Mittlerweile gibt es sogar Wörterbücher und Lexika dazu, denn die Sprachen haben eine komplexe Grammatik und außerdem eigene Runenalphabete. Tolkien soll sie auch einmal dazu benutzt haben, seinen Studenten den Aufbau von Sprache zu erklären. Später war er nämlich Professor für Angelsächsisch und Anglistik in Oxford. Dort gründete Tolkien privat einen Lesekreis, zu dem u.a. auch C.S. Lewis gehörte (ihr kennt ihn vermutlich als den Autor der Chroniken von Narnia). In diesem wurden isländische Sagen in der Originalsprache gelesen.

Es gibt bestimmt einige unter euch, die Skandinavistik studieren und Altnordisch gelernt haben. Ihr stimmt mir sicher zu, dass es sehr viel Zeit, Geduld und Arbeit braucht, Texte darin zu lesen. Die Grammatik ist sehr komplex und die Wortstellung eine Herausforderung. Und Tolkien machte das freiwillig in seiner Freizeit, weil er die Sage von Sigurd dem Drachentöter doch gerne mal im Original lesen wollte. Auf dem Tolkien-Tag in Geldern (eine Art Convention) habe ich einen Vortrag zu Tolkiens Beschäftigung mit dem Altnordischen gehört und ich als Skandinavistik-Studentin fand es sehr spannend, Parallelen zwischen seinen Hauptwerken und der nordischen Mythologie zu entdecken. Beispielsweise kannte er die Edda (die berühmteste nordische Sagensammlung), denn viele seiner Zwergennamen sind daraus entnommen. „Gandalfr“ ist dort ein Zwergenname, im Herr der Ringe gibt es einen Zauberer namens Gandalf. Die Welt, in der seine Geschöpfe leben, nennt Tolkien Mittelerde – so wie es in der nordischen Mythologie Midgard, die Mittelwelt, gibt.

J. R. R. Tolkien hat nicht nur eine Welt, sondern eine komplette Mythologie erschaffen, deren Ursprung in seinem Werk Das Silmarillion liegt, welches erst nach seinem Tod durch seinen Sohn Christopher veröffentlicht wurde. Es ist eine Schöpfungsgeschichte von Mittelerde. Das ist es, was mich an Tolkien und seinen Geschichten so fasziniert – ein einziger Mann hat sich Jahrtausende von Geschichte über die Entstehung von Völkern und eine ganze Welt ausgedacht. Und das über Jahre hinweg: Es ist sein Lebenswerk, viele seiner Schriften dazu sind nicht einmal veröffentlicht. Er hat unglaublich viel Stoff hinterlassen und ich bin mir sicher, dass wir noch lange nicht alles von Mittelerde gehört haben. Zum Glück!

Wenn ihr jetzt neugierig auf diesen bemerkenswerten Autor geworden seid, kann ich euch den biographischen Film Tolkien von 2019 sehr empfehlen. Er handelt von Tolkiens Leben als Schüler, Student und Soldat im Ersten Weltkrieg und gibt Einblicke in das, was ihn zu seinen Werken inspiriert hat. Der Film ist allerdings nicht in Form einer Dokumentation gehalten, mit einem Sprecher, der sein Leben von Kindheit an vorstellt, sondern als Spielfilm.

Ich hoffe, ich konnte euch gut unterhalten und vielleicht sogar ein bisschen mit meiner Faszination anstecken. Wisst ihr irgendetwas über eure Lieblingsautor:innen? Habt ihr schon einmal die Herr der Ringe oder Hobbit-Serie gesehen oder gelesen? Und wie hat sie euch gefallen? Und an diejenigen, die bereits Fans sind: Was denkt ihr eigentlich über die Serie Die Ringe der Macht? Lasst uns doch gerne ein paar Kommentare da. 🙂

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