Literatur ist für mich, wie auch Kunst generell, nicht objektiv vergleichbar. Sicherlich haben alle ihre individuellen Vorlieben und Anforderungen an ein Buch. Aber wie will man die Kunst von Schriftsteller:innen wertend voneinander abgrenzen, wenn doch jede Person anders schreibt?
Da ich jemand bin, der sich grundsätzlich zu viel mit anderen vergleicht, habe ich es immer sehr genossen, das beim Schreiben nicht zu können, weil ich niemanden kannte, der wie ich schreibt. Doch je mehr Kontakt ich zu anderen Schreibenden bekam, desto mehr spürte ich den Wettbewerbseifer in mir. Ich fing an, mein Schreiben am Schreiben anderer zu messen.
Und so sehr es mir widerstrebt, das zu akzeptieren, ist es unmöglich, sich dem Wettbewerb zu entziehen, wenn man vom Schreiben leben will. Denn auch, wenn man sich fern hält von Ausschreibungen und „Schreibwettbewerben“, so ist man doch darauf angewiesen, seine Texte und Ideen einzureichen – ob zur Veröffentlichung bei einem Verlag oder zur Förderung des eigenen Schaffens in Form eines Stipendiums. Überall muss man sich bewerben und eine Chance bekommt man nur, wenn man ‚besser‘ ist als die anderen.
Im vergangenen August habe ich zum ersten Mal etwas bei einem Schreibwettbewerb eingereicht. Im Rahmen dieses Wettbewerbs von einem Selfpublishing-Verlag mussten Kurzgeschichten zu einem Buch zusammengestellt werden. Bewertet wurden diese nicht nur nach Inhalt, sondern auch nach dem Gesamtkonzept. Passen die einzelnen Texte zueinander? Behandeln sie ein übergeordnetes Thema? Ist der Titel packend? Für all das waren die Autor:innen selbst zuständig. Ganz schön viel für jemanden, der eigentlich ‚nur‘ schreibt.
Alle der eingereichten Bücher sind im regulären Buchhandel erhältlich und das allein ist schon ein Erfolg. Nicht nur, dass man mein Buch kaufen kann, sondern vor allem, dass ich mich getraut habe, etwas unwiderruflich zu veröffentlichen. Ich bin stolz auf mich, dass ich etwas, in das ich über Monate so viel Arbeit investiert habe, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe in dem Wissen, dass jeder es lesen und beurteilen kann.
Natürlich war ich enttäuscht, dass ich nicht gewonnen habe, obwohl ich mir von Anfang an bewusst war, dass die Chancen bei über 1000 Einreichungen gering stehen; obwohl ich mir vorgenommen hatte, nur für die Erfahrung mitzumachen. Trotzdem habe ich Neid gespürt, als andere – zurecht natürlich – gewonnen haben. Denn zu einem Gewinnen gehört auch immer ein Verlieren. Ich mag die Missgunst nicht, weil sie meiner Meinung nach nichts bewirkt außer Selbstmitleid. Aber sie war eben da und sie war so viel lauter als mein Vorsatz, sich auf die Erfahrung zu fokussieren. Vor allem aber war sie lauter als mein Stolz über den Erfolg einer Veröffentlichung.
Deshalb werde ich in naher Zukunft an keinen „Schreibwettbewerben“ teilnehmen. Ich glaube, dass ich meine Persönlichkeit als Schriftstellerin noch mehr festigen muss. Ich muss herausfinden und verinnerlichen, was ich schreiben will und was nicht. Denn rückblickend glaube ich, dass das Format dieses Wettbewerbs – Kurzgeschichten mit maximal 2500 (!) Zeichen und die eigenständige Gestaltung eines ganzen Buchs – nicht das ist, was ich langfristig machen möchte.
Mein Herz gehört den langen Geschichten. Schon ein Blick in mein Bücherregal bestätigt das. Fast die Hälfte der Bücher, die ich lese, hat zwischen 300 und 500 Seiten, ein weiteres Fünftel sogar noch mehr. Ich gebe Figuren und Handlung gerne Platz, um sich zu entfalten, und 2500 Zeichen entsprechen eher einer kleinen Besenkammer. Das sind nicht einmal eine Seite in handelsüblichen Textverarbeitungsprogrammen. (Damit soll nicht gesagt sein, dass diese kurzen Formate weniger Wert seien, es ist nur einfach nichts, mit dem ich mich (derzeit) wohl fühle.)
Zusammen mit der Erkenntnis, dass ich an meiner Arbeitsweise und meiner Einstellung zu meinen Texten arbeiten muss (siehe hierzu Die Realität des Schreibens), ist das eine weitere: Wettbewerbe vertragen sich nicht mit meiner Persönlichkeit. Ich bin zu ehrgeizig, um nur dabei gewesen zu sein. Und ich befürchte, dass Wettbewerbe mir auf Dauer das Schreiben madig machen.
Aber es kann sich auch lohnen, nach Ausschreibungen Ausschau zu halten. Auch das habe ich in den vergangenen Monaten gelernt. Immer wieder suchen Literatur- und Kulturzeitschriften nach kleinen, unveröffentlichten Texten. Im November, bevor ich entschied mich vorerst von Wettbewerben fernzuhalten, habe ich ein Gedicht bei der Zeitschrift Mosaik eingereicht. Am 14. Mai wird das Gedicht jetzt in deren Online-Format veröffentlicht.
Was bedeutet Schreiben für dich? Hast du schon mal etwas eingereicht oder veröffentlicht? Wie waren deine Erfahrungen damit?
[…] und darum, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Darüber habe ich vor einem Jahr schon einmal hier berichtet. Und eigentlich will ich das Schreiben einfach nur genießen. Aktuell reicht mir dafür […]