Wenn die Zeit stillsteht, erwachen deine Träume

Ein Artikel von Marlene

2019 schuf der Regisseur Frelle Petersen ONKEL, den ersten Film einer Trilogie, die sich mit dem Leben unterschiedlicher Familien im ländlichen Dänemark beschäftigt. Der Nachfolger RESTEN AF LIVET kam 2022 in die Kinos, und wir warten weiterhin auf den dritten und damit letzten Film. ONKEL erzählt die Geschichte der jungen Kris, die zusammen mit ihrem Onkel auf einem Bauernhof im südlichen Jütland in der Nähe von Tønder wohnt. Als sie neue Menschen kennenlernt, öffnen sich plötzlich neue Perspektiven für Kris. Durch vorsichtige Liebeserfahrungen und ein wiederentdeckter Traum, unternimmt sie erste Schritte aus ihrem monotonen und langweiligen Alltag hinaus und erkennt, dass es mehr im Leben geben kann. Doch das Glück währt nicht lange, Kris gelangt schnell an einen Wendepunkt in ihrem Dilemma und wird vor eine Entscheidung gestellt: Die Wahl zwischen Familie und Traum.

Kris‘ (Jette Søndergaard) Eltern starben, als sie ein Teenager war. Ihre Mutter starb nach einer Krankheit, der Vater beging ein paar Jahre später Selbstmord. Sie zog zu ihrem Onkel (Peter H. Thygesen) auf den Hof und seitdem passen die beiden aufeinander auf. Kurz bevor Kris ihr Abitur ablegen konnte, erlitt ihr Onkel einen Schlaganfall. Kris musste daraufhin ihre Traumausbildung zur Tierärztin in Kopenhagen aufgeben und blieb stattdessen auf dem Hof. Die beiden haben seither eine Rutine für sich geschaffen, die sich jeden Tag wiederholt. Der gleiche Rhythmus aus Arbeit, Frühstück, Mittag- und Abendessen, Spiele- und Fernsehabende. Die Beziehung zwischen Kris und ihrem Onkel ist sehr eng und besonders. Sie haben einen Großteil ihres Lebens gemeinsam verbracht, haben nur noch sich gegenseitig auf der Welt und verstehen sich ohne viele Worte. Doch die Dinge ändern sich, als Kris Mike (Tue Frisk Petersen) in der Kirche und den neuen Tierarzt Johannes (Ole Caspersen) trifft. Während Johannes sie mit in den Alltag seines Berufes nimmt und versucht ihr zurück zur Ausbildung zur Tierärztin zu helfen, ist Mike auf eine romantische Art und Weise an Kris interessiert. Er möchte sie besser kennenlernen und auf ein Date ausführen. Die beiden teilen dasselbe Schicksal, da sie ihre Eltern sehr jung verloren haben, und entwickeln eine zarte Beziehung. Vor allem hier offenbart sich der subtile Humor des Films. Die Szenen in denen Mike und Kris zusammen mit ihrem Onkel auf ein Date gehen sind von einer solchen unangenehmen Stimmung geprägt, die die ganze Geschichte nur noch lustiger und liebenswerter macht.

Weil der Fokus auf den vielen, schönen und genau aufgebauten Bilder des Bauernhofes und der ländlichen Gegend liegt, benötigt der Film nur wenig Dialog. So wie Kris und ihr Onkel gegenseitig auf viel Gerede verzichten, können auch die Zuschauer die Handlung durch Blicke, Bewegungen, Pausen und Gesichtsausdrücke mühelos verstehen. Der Film wirkt daher sehr ruhig und langsam, gleichzeitig aber nachdenklich und authentisch. Die Authentizität ist ein wichtiger Aspekt des Films, und wurde von vielen Kritikern sehr gelobt. Man merkt sie in jeder Szene, jedem Dialog, jedem Bild des Films. Und dafür gibt es einige Gründe: Regisseur und Drehbuchautor Frelle Petersen stammt nämlich selbst aus Südjütland und konnte daher echte eigene Erfahrungen und Erinnerungen einbringen, die er mit dem Ort verbindet. Außerdem wurden alle Rollen von Amateurschauspielern gespielt, die in einem Umkreis von 15 Kilometer um den Heimatort des Regisseurs herum gecastet wurden. Für viele war es die erste Rolle in einem Film, und manche üben tatsächlich denselben Beruf der Rolle im wirklichen Leben aus. So arbeitet beispielsweise Ole Caspersen, der Johannes spielt, auch normalerweise als Tierarzt. Auch Jette Søndergaard (Kris) und Peter H. Thygesen (Onkel) sind tatsächlich Onkel und Nichte in der Realität. Diese Authentizität öffnet den Raum für die beeindruckende Intensität des Films, die sich in einen einschleicht. Die Zuschauer erhalten dadurch eine größere Möglichkeit sich mit den Charakteren zu identifizieren.

ONKEL ist ein stilles und langsames Drama, das schafft eine Geschichte zu erzählen, die echt und authentisch wirkt, und in der wir uns selbst wiederfinden können. Nicht ohne Grund gelten sowohl ONKEL als auch dessen Nachfolger RESTEN AF LIVET als zwei der besten dänischen Filme der letzten Jahre. Der Film ist beeindruckend und ergreifend. Man kann erkennen, wie er virtuos mit den vielfältigen filmischen und narrativen Wirkungsmitteln spielt, um wirklich bedeutungsvolle und rührende Szenen zu zeichnen. Kris und ihr Onkel verbleiben einem im Kopf noch lange nachdem der Film zu Ende ist.

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