Die Wurzel meines Schreibens

Seit längerem trage ich den Wunsch in mir, Schriftstellerin zu werden. Doch mit dem Näherrücken meines Studienabschlusses und damit auch der Entscheidung, was ich denn eigentlich beruflich mache, hat sich meine Perspektive auf diesen Wunsch verändert. Warum will ich eigentlich Schriftstellerin werden? Worin wurzelt dieser Wunsch?

Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich nicht geschrieben habe. Seit fast zwanzig Jahren schreibe ich meine eigenen Geschichten. Vor einer Weile fiel mir eine alte Datei in die Hand, in der Geschichten stehen, die ich mit acht Jahren verfasst habe. Ich wollte sie zu Weihnachten als Buch verschenken. Es fühlt sich seltsam an, diese Geschichten heute zu lesen. Sie sind so kindlich, voller Naivität und in jeder kommen Tiere vor. Ich will das nicht belächeln, weil das eben die Geschichten einer Achtjährigen sind, natürlich sind die kindlich und naiv. Aber ich kann diese Texte nur schwer mit meinem heutigen Ich in Verbindung bringen. Ich muss also Abstand nehmen und dann finde ich mich durchaus in diesen kurzen Geschichten. Es sind fröhliche Geschichten mit weiblichen Hauptfiguren, die die Welt retten oder einfach erfolgreich sind in dem, was sie tun. Bis heute prägt diese weibliche Perspektive meine Erzählungen.

Ich habe über die Jahre viel ausprobiert – lange Texte, kurze Texte, Prosa und Lyrik, literarisches und autobiographisches. Mit 14 habe ich einen Account in einem Forum für Fanfiction erstellt und dort kapitelweise Fan-Fictions über Prominente hochgeladen. Mir war das damals peinlich. Der Accountname war ein Pseudonym und nur meine besten Freunde wussten davon. Mit der Zeit schrieb ich weniger Fan-Fictions und mehr Geschichten mit eigenen Figuren. Und trotzdem habe ich den Account mit 17 gelöscht und damit auch alle meine Texte. Ich weiß heute noch ganz genau, dass ich damals den Gedanken hatte: Wenn ich wirklich irgendwann Autorin bin, dann darf niemals mein Bezug zu diesen Geschichten bekannt werden. Niemand darf wissen, dass ich mal so etwas geschrieben habe.

Info: Die genaue Definition von Fan-Fictions ist in der Forschung noch umstritten. Je nach Definition sind sie entweder genauso alt wie Fiktion an sich, oder aber sind erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden. Fakt ist jedoch, dass sie mit dem Entstehen der Stark-Trek-Fanzines im Jahr 1967, in denen vereinzelt auf Fan-Fictions veröffentlicht wurden, erstmals Popularität erlangten. Mit dem Aufkommen des Internets wurden sie um die Jahrtausendwende zum Massenphänomen.

Auf Fan-Fictions wird gerne herabgesehen. Es hält sich das Bild, dass es Mädchen und junge Frauen sind, die sich aus Schwärmerei für irgendeinen Popstar Geschichten über diesen ausdenken, sich selbst in die Protagonistin einschreiben und das untereinander teilen. Das ist ein sehr misogynes Bild: Weibliche Fans werden im Allgemeinen nicht ernstgenommen und es wird so getan, als wäre es ein rein weibliches Phänomen, dass wir Personen der Öffentlichkeit bewundern und für sie schwärmen. Ich muss zwar zugeben, dass ich exakt diesem Vorurteil entsprochen habe. Ich war Teil dieser Bubble. Aber ich habe sehr früh angefangen, Fan-Fictions zu schreiben über Personen, von denen ich gar kein Fan war. Es war einfach eine Figur, die in einen Plot passte, den ich mir ausgedacht hatte, und ich wusste, dass eine Fanfiction mehr Aufmerksamkeit auf dieser Plattform bekommen würde, als eine Geschichte, die sich nicht um irgendein Fandom drehte.

Ich hatte ein paar Jahre später nochmal für ein paar Monate einen Account in diesem Forum, habe dort aber keine Fanfiction mehr gepostet, sondern eben „eigene“ Geschichten. (Mit dieser Bezeichnung möchte ich nicht suggerieren, dass Fan-Fictions keine eigenen Geschichten der jeweiligen Autor*innen seien, sondern einfach eine Abgrenzung zu diesen schaffen.) Über diesen Account bin ich sogar mit einigen Menschen in den Austausch gekommen und habe eine Art Internet-Freundschaft gehabt. Die fand nur über dieses Forum mit unseren Pseudonymen statt. Ich habe damals sehr viel Wertschätzung für meine Texte erfahren und das hat mir gut getan. Dennoch habe ich den Account relativ bald erneut gelöscht, ich weiß leider nicht mehr, warum.

Wenn ich jetzt auf diese Zeit zurückblicke, schäme ich mich nicht mehr dafür. Ich kann erkennen, wie wichtig das für mich und meine Entwicklung war: Ich hatte Leute, die meine Geschichten lesen wollten und mir das zurückgemeldet haben. Und das wiederum hat mich am Schreiben gehalten, auch wenn ich wusste, dass die Texte, die ich dort hochlade, vermutlich nie von irgendeinem Verlag angenommen werden würden.

Vor ein paar Wochen habe ich wieder einen Account in diesem Forum erstellt. Ich war in den letzten Wochen sehr inspiriert und habe immer wieder gemerkt, dass mir ein Publikum fehlt. Ich wollte Leute, die diese Texte lasen und daran Freude hatten. Es ging mir gar nicht um das Feedback oder darum, dass meine Texte immer besser werden. Ich wollte einfach nur Spaß am Schreiben haben und diesen Spaß teilen. Ich glaube nämlich, dass das der Ursprung meines Wunsches ist, Schriftstellerin zu werden. Es geht nicht um den Erfolg oder die gesellschaftliche Anerkennung. Es geht auch nicht darum, irgendeinen relevanten Text zu schreiben. Ich möchte einfach nur schreiben. Während ich in jedem anderen Job das Schreiben hinten anstellen müsste, würde eine berufliche Laufbahn als Schriftstellerin dem maximal viel Raum geben. Aber es ginge dann um Erfolg und Wettbewerb und darum, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Darüber habe ich vor einem Jahr schon einmal hier berichtet. Und eigentlich will ich das Schreiben einfach nur genießen. Aktuell reicht mir dafür der Austausch mit anderen Hobby-Schriftsteller*innen über das Internet.

© Foto von Markus Winkler auf Unsplash

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