21. Mai – 1. Juni 2012: Game Based Learning
(Moderation des Themenblocks: Dr. Anne Thillosen, e-teaching.org und IWM Tübingen)
I. Überblick
Game-basiertes Lernen ist schon zum vierten Mal Thema des Horizon Reports. Unter dem Titel „Educational Gaming“ wurde es 2006 zum ersten Mal als „mittelfristiger Trend“ genannt – hätte also vor zwei Jahren eigentlich bereits in der Breite umgesetzt sein sollen.
Doch der 2012 Horizon Report ordnet das Thema immer noch im mittleren Zeithorizont ein. Warum? Dem Tripwire Magazin zufolge haben sich im Jahr 2011 weltweit über 61 Millionen Menschen an Online Social Games beteiligt – aber in ihrer Freizeit. Zwar gibt es inzwischen zahlreiche Untersuchungen dazu, was das Spielen für verschiedene Zielgruppen, Jüngere und Ältere, Männer und Frauen, so spannend und attraktiv macht. Diese Qualitäten auf den Bereich des Lernens zu übertragen und Lernspiele gut zu designen, ist aber offensichtlich schwierig. In den beiden Kurswochen zum Game-based Learning sollen einige unterschiedliche Facetten in den Blick genommen werden:
- Spielen ist meist ein komplexer Prozess, bei dem viel gelernt wird: die Spielidee, die Regeln, bestimmte Abläufe, Geschicklichkeit usw. Zunächst aber machen Spiele einfach Spaß. Das ist der Grund, warum aus didaktischer Perspektive mit dem Einsatz von Spielen in Lernsituationen hohe Erwartungen verbunden werden, z.B. eine erhöhte Motivation, eine größere Lernerzentrierung und eine aktivere Rolle der Lernenden. Zentral bleibt aber die Frage, ob Spielen nicht grundsätzlich zweckfrei und freiwillig ist. So definierte es etwa Johan Huizinga in dem 1939 erschienen Klassiker der Kulturtheorie, „Homo Ludens“. Ist die Instrumentalisierung zu Lernspielen – analog oder digital – nicht kontraproduktiv und ein Widerspruch in sich? Wie kann mit diesem Paradox umgegangen werden?
- Welche Typen von Online-(Lern-)Spielen gibt es überhaupt? Digital Games können unterschiedlichen Gattungen und Genres zugeordnet werden; häufig lassen sie sich nicht nicht eindeutig klassifizieren, und die Übergänge sind fließend. Zu den Gattungen gehören z.B. Puzzlespiele (wie der Klassiker Tetris) und Simulationen (z.B. Flug-, Auto- aber auch Wirtschaftssimulationen) sowie Action-, Abenteuer- und Rollenspielen (zunehmend in 3D-Welten). Dabei erweitern sich die Genres ständig, zu zurzeit etwa um Massively Multiplayer Online Games (MMOGs) mit offenem Ausgang, um die Verknüpfung von Realität und Onlinespiel (z.B. beim Geocaching) oder um (Sport-) Spiele, die auf Gesten der Nutzenden reagieren (z.B. Wii).
- Zu den Merkmalen guter digitaler Spiele gehören u.a., dass darin verschiedene Prozesse zu einem integrierten Erlebnis verschmelzen, z.B. Spannung, simulierte Lebens- und Rollenerfahrungen sowie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. So sollten aus didaktischer Perspektive Gestaltungsregeln von Lernspielen u.a. die Ansprache von Fantasie und Neugier, die Vorgabe klarer Regeln und Ziele, eine angemessene Herausforderung und die Übertragung von Kontrolle an die Spielenden beinhalten. Ein zentrales Problem mit Lernspielen liegt jedoch darin, dass häufig ein Bruch zwischen Spiel- und Lernmodus entsteht. Dadurch wird der Spielfluss unterbrochen und der Spielspaß gehemmt. Zudem erreichen viele Lernspiele auch technisch, ästhetisch und im Design nicht die Qualität von Unterhaltungsspielen.
II. Lektüre & weiterführende Materialien
- Horizon Report 2012 (deutsche Fassung), S. 21-25.
http://www.mmkh.de/upload/dokument/2012HorizonReport_German_final.pdf
Zu Beginn einige deutschsprachige Literaturhinweise:
- Son Le & Peter Weber (2011).
Game-based Learning – Spielend Lernen?
In: Martin Ebner & Sandra Schön (Hrsg.): Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (L3T).
Der Text gibt einen Überblick über Grundüberlegungen und wichtige Einflussgrößen des Game-based Learning und veranschaulicht Möglichkeiten, Probleme und Herausforderungen: Was und wie lernt man durch Computer- und Videospiele? Lässt sich dieses Potenzial auch für Bildungszwecke und formelle Lernziele „instrumentalisieren“? Wie müssen digitale Lernspiele gestaltet werden, um einen möglichst hohen Lernerfolg zu gewährleisten?
http://l3t.tugraz.at/index.php/LehrbuchEbner10/article/view/79
- Stephan Schwan (2006):
Game Based Learning.
Nach einem Überblick über unterschiedliche Spielgenres werden wesentliche Qualitätsmerkmale und Elemente identifiziert, die Computerspiele aufweisen müssen, um als „gut“ bezeichnet werden zu können. Diese Ergebnisse werden dann auch auf Lernspiele übertragen, um so zentrale Dimensionen herauszufiltern, die diese für den Nutzer zu einem attraktiven Lernangebot werden lassen.
http://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/methoden/lernspiele/game_based_learning/gamebasedlearning.pdf
- Michael Kerres, Mark Bormann & Marcel Vervenne (2009).
Didaktische Konzeption von Serious Games: Zur Verknüpfung von Spiel und Lernangeboten. Zürich: MedienPädagogik.
Ausgangspunkt ist eine Analyse, wie Spiele erlernt und wie beim Spielen gelernt wird. Vor diesem Hintergrund werden zwei unterschiedliche didaktische Ansatzpunkte beim Einsatz von Serious Games vorgestellt, die Didaktisierung durch Einbettung des Spiels in einer Lernsituation und die Einbettung von Lernaufgaben in ein Spiel.
http://www.medienpaed.com/2009/kerres0908.pdf
- Johannes Breuer (2010):
Spielend lernen? Eine Bestandsaufnahme zum (Digital) Game-Based Learning.
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) (Hrsg.), LfM-Dokumentation Band 41.
Die umfangreiche Bestandsaufnahme enthält u.a. differenzierte Definitionen und Abgrenzungen zwischen Begriffen wie „Computerspiel“, „Serious Games“, „(Digital) Game Based Learning“ usw. Zur Beschreibung digitaler Lernspiele werden über die Spielgenres hinaus zahlreiche weitere Kriterien vorgestellt und genutzt, um im Anhang empfehlenswerte Spiele vorzustellen. Darüber hinaus enthält die Publikation bisherige Evaluationsergebnisse, Hinweise für die pädagogische Praxis, ein umfangreiches Quellenverzeichnis sowie kommentierte Hinweise auf Ressourcen für Eltern und Lehrer.
http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Publikationen-Download/Doku41-Spielend-Lernen.pdf - In Serious Games verschmelzen Ernst und Spaß
Das Internetportal MediaCulture-Online stellt Informationen rund um die Themen Medienbildung, Medienpraxis und Medienkultur für den schulischen und außerschulischen Bereich zur Verfügung. Es richtet sich an Lehrerinnen, Lehrer, Eltern, Studierende sowie pädagogischen Multiplikatoren und gibt ihnen Anleitungen und Literatur für die eigene Medienproduktion, Medienanalyse und Mediennutzung an die Hand.
http://www.mediaculture-online.de/Serious-Games.1565.0.html
Die englischsprachige Literatur zum Thema ist fast unübersehbar. An dieser Stelle soll nur auf einige wenige grundlegende Artikel hingewiesen werden:
- James Paul Gee (2005):
Learning by Design. Good video games as learning machines.
In: E-Learning and Digital Media 2/1;
Weitere Literatur auf seiner Homepage). - Rosemary Garris, Robert Ahlers & James E. Driskell (2002).
Games, Motivation and Learning: Research and Practice Model.
In: Simulation & Gaming, Jg. 33, H. 4, 441-467.
//sag.sagepub.com/content/33/4/44 - Richard van Eck (2006).
Digital Game-Based Learning: It’s Not Just the Digital Natives Who Are Restless.
In: Educause Review, 41(2).
http://www.educause.edu/EDUCAUSE+Review/EDUCAUSEReviewMagazineVolume41/DigitalGameBasedLearningItsNot/158041
Weiterführende Hinweise, Spiele(sammlungen) und Links:
- Was genau ist eigentlich Game Based Learning? Auf der Seite Medienkindheit.de erläutern einige Studierende in einem kurzen Legetechnikfilm, worum es geht und stellen dabei auch einige digitale Lernspiele vor.
- Auf ihrer Seite zum Thema Planspiele stellt die Bundeszentrale für politische Bildung nicht nur eine Sammlung von ca. 250 unterschiedlichen Spieltypen – z.B. Simulationen, Online-Planspielen und PC-gestützten Planspielen – zu unterschiedlichen Themen und für ganz verschiedene Altersklassen vor. Darüber hinaus gibt es auch Hinweise zur Methodik und zahlreiche weiterführende Verweise.
- Die Non-Profit-Organisation Games for Change aus New York wurde 2004 gegründet; inzwischen werden die online kostenlos zur Verfügung stehenden Spiele weltweit millionenfach abgerufen. Die Spielenden können sich z.B. einer “Food Force“ anschließen und gemeinsam mit ihrem Team die Ausbreitung einer Hungerkatastrophe verhindern oder in der Rolle eines Krisenreporters durch den Sudan reisen .
- Als Vorarbeit zu seinem Whitepaper „Do You Need Games In Your Elearning-Mix“ unternahm der Learning-Designer Abhijit Kadle eine umfangreiche Recherche. In der dabei entstandenen Liste der TOP 100 Learning Game Resources finden sich zahlreiche interessante Links.
III. Online-Event
Mittwoch, 23. Mai 2012, 17-18 Uhr
Referenten: Christoph Deeg und Son Le (Ruhr-Universität Bochum)
Aufzeichnung: http://connect8.iwm-kmrc.de/p6inqltgcy9
Nachlese:
- Folien Thillosen (Einführung)
- Folien Deeg („Ich spiele, also lerne ich“)
- Folien Le (Hintergründe, Potenziale, Fragen)
- Chatprotokoll der Live-Session vom 23.05.12
- Linkliste aus dem Chat der Live-Session vom 23.05.12
- Zwischenbilanz nach der ersten Kurswoche zum Thema Game Based Learning
- Zusammenfassung zum Themenschwerpunkt “Game Based Learning”
- Linkliste aus den Tweets zum „Game Based Learning“
- Wiki zur Themeneinheit „Game Based Learning“
- Blogbeiträge zum Thema „Game Based Learning
- Um das Video in Ihre Webseite einzubinden kopieren Sie einfach folgenden Code und fügen ihn in den Quellcode Ihrer Website ein:
<iframe width="100%" scrolling="no" height="320px" frameborder="no" src="http://www.e-teaching.org/etresources/media/video/opco12/game-based-learning.html"></iframe>
- Wenn Sie WordPress als Blogsystem verwenden, können Sie das PageView-Plugin installieren und folgenden Quellcode in Ihre Seite einbinden:
[pageview url="http://www.e-teaching.org/etresources/media/video/opco12/game-based-learning.html" height="320px"]
Beim Online-Podium wurden sowohl praktische Erfahrungen mit Game-based Learning als auch wesentliche theoretische Hintergründe vorgestellt und diskutiert: Wie können digitale Spiele z.B. in Hochschulseminaren eingesetzt werden? Welche Arten von Spielen eignen sich? Gibt es Tipps zur Unterstützung des Lernprozesses mit digitalen Spielen? Anhand welcher pädagogischen und (lern-)psychologischen Erkenntnisse und Prinzipien können digitale Lernspiele so gestaltet werden, dass sie Lernende motivieren und z.B. Problemlösekompetenzen oder kollaborative Zusammenarbeit und soziale Interaktion fördern.
Christoph Deeg ist Trainer und Berater u.a. für die Bereiche Social-Media-Management und Gaming/Gamestudies und selbst überzeugter und aktiver Gamer. Als Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim befasst er sich in Seminaren u.a. damit, wie Gaming die Strukturen und Arbeitsweisen von Kulturinstitutionen ändern kann, also mit der Frage nach den Kulturen und Modellen hinter den Games.
Son Le (Ruhr-Universität Bochum) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft (Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik, Prof. Gabriel). Er promoviert zum Thema „Serious Games“ und ist Mitautor des unter den Lektürehinweisen genannten L3T-Beitrags. In einem Seminar zu „Digital Games“ hat er das Thema nicht nur theoretisch erörtert, sondern u.a. mit den Studierenden Spiele entwickelt.
IV Weitere Aktivitäten
- Haben Sie schon einmal selbst mit Serious Games gelernt oder Games in Lernkontexten eingesetzt haben? Dokumentieren Sie Ihre persönliche Meinungen und Erfahrungen zu diesem Thema und berichten Sie darüber, wenn Sie wollen.
- Beteiligen Sie sich an dem Wiki, das für diese Kurseinheit eingerichtet wurde. Dort können Sie auf unterschiedliche Weise aktiv werden: Zum einen finden Sie dort die e-teaching.org-Inhalte zum Thema „Lernspiele“, die wir dorthin übertragen haben (hier geht es zu den Originalseiten im Portal). Sie sind herzlich eingeladen, diese Seiten in den beiden kommenden Wochen zu ergänzen und zu aktualisieren. Nach Abschluss der Kurseinheit werden die neu entstandenen Inhalte in die Seiten von e-teaching.org integriert. Darüber hinaus gibt es in dem Wiki eine Rubrik, in der alle Interessierten Spiele vorstellen können. So könnte eine gemeinsam erstellte OPCO12-Serious-Games-Sammlung entstehen.
19 Antworten auf 21. Mai – 1. Juni 2012: Game Based Learning
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