Der Horizon Report hat als zweite Technologie, welche sich in einem Jahr oder weniger im Bereich der Higher Education durchsetzten wird, Tablet-Computing benannt. Dieses ist natürlich eng mit den Mobile-Apps verbunden und beide können zusammen unter mobileLearning (mLearning) zusammengefasst werden. In der Live-Session zum Opco 2012 gab es am 9. Mai dazu eine längere Diskussion, nach einem im Vergleich zur vorhergehenden Woche kurzen Input. Dabei hat Beat Döbeli Honegger als Referent gleich am Anfang seines Vortrags die These “Tablets sind ein Hype” in den Raum gestellt und die Hervorhebung im Horizon Report kritisch betrachtet. Schon beim Thema “mobile Apps” kam es immer wieder zum Thema der Finanzierung (siehe auch Eintrag mLearning). Honegger fuhr fort mit fünf Thesen, wobei die erste “Tablets bringen nur im Kindergarten echt was Neues” lautet. Mit dieser These möchte ich mich im Folgenden kurz auseinandersetzen.
Weshalb bringen Tablets im Kindergarten etwas Neues?
Das wesentliche Argument von Honegger, weshalb Tablets so prädestiniert für Kinder im Vorschulalter (und im Prinzip auch in den ersten zwei Klassen sind) ist die Tatsache, dass man sie bedienen kann, ohne lesen und schreiben zu können. Die Bedienung über Piktogramme mit Gesten können nach Honegger schon Zweijährige. Wenn ich meinen eigenen zweijährigen Sohn betrachte, so kann ich mir gut vorstellen, wie die Kinder schnell den Umgang mit den Geräten lernen können. Aber wie sinnvoll ist es?
Technik im Kindergarten?
“Vorsicht Bildschirm!” titelte Manfred Spitzer 2005. Als Gehirnforscher argumentiert er, dass der Blick auf den Bildschirm (hier Fernsehen und Computer) gesundheitliche Folgen hat sowie die geistige Entwicklung negativ beeinflusst (einige dieser Argumente sind z.T. unausgewogen, aber alles im allen beachtenswert). Auch die Sachen auf den Tablets kann man nicht riechen und verschiedene Piktogramme fühlen sich nicht unterschiedlich an. Kurz Anwendungen auf den Tablets sprechen nur eingeschränkt die Sinne an. Alles was über das Tablet erlebt wird, wird nur eingeschränkt erlebt. Grundsätzlich sollte man also vor dem Einsatz solcher Geräte fragen, wie hoch der Nutzen ist und ob eventuell sogar die Gefahr besteht, dass dieser am Ende negativ ist (Kinder die nur vor den Tablets sitzen und konsumieren).
Qualifiziertes Personal?
Neben den Kindern sind da noch die Erzieher/innen. Der Großteil der Neuangestellten wird auch in den nächsten Jahren keinen Hochschulabschluss besitzen, dabei erhofft man sich durch die Akademisierung klare Qualitätsverbesserungen. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang zu fragen: Sind die Erzieherinnen und Erzieher qualifiziert den Einsatz der Tablets zu betreuen? Ein Hochschulabschluss würde das nicht garantieren, aber sicherlich wäre für einen solchen Einsatz eine entsprechende (kritische) Weiterbildung eine wichtige Voraussetzung.
Die wichtigsten Fragen aus meiner Sicht
- Lernen die Kinder besser als vorher?
- Gibt es negative Effekte (fehlende Bewegung, Bildschirmabhängigkeit, Aggressivität)?
- Kann eine qualifizierte Betreuung durch die Erzieher/innen bzw. Pädagog/innen gewährleistet werden?
Dabei muss sich auch gefragt werden, ob eine neue Technologie zum Schluss nur dazu führen könnte, inadäquate Betreuung zu kaschieren. Wenn das Tablet dazu dient, mit den Kindern Farben zu üben, weil keine Betreuungsperson Zeit hat, dies mit ihnen zu tun, dann geschieht der Einsatz nicht zum Wohl des Kindes. Ein persönliches Lob kann nicht durch ein blickendes Lämpchen ersetzt werden.
Fazit
Kinder werden in einer Welt mit Medien groß: Fernseher und PC sind in den meisten Haushalten vorhanden und werden vor den Augen der Kinder genutzt oder sie sind bereits selbst Konsumenten. Davor in den Kindertagesstätten die Augen zu verschließen wäre falsch. Der Einsatz dieser Technik dort sollte aber immer unter der kritischen Abwägung von Vor- und Nachteilen erfolgen. Kinder müssen den richtigen Umgang mit diesen Medien lernen, dazu zählen auch Tablets. Häufig ist die Kita der einzige Ort, wo dies erfolgen kann, denn zu Hause werden solche Medien zu oft unkritisch als Babysitterersatz eingesetzt.