Das wirklich überraschende zuerst: Quantified Self ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Schon die Griechen und die Römer haben Mittel und Wege gesucht, durch eine genaue Studie und Beschreibung ihres Verhaltens und Denkens zur Selbsterkennis zu gelangen. So hat Sokrates dem Griechen Alkibiades gezeigt, sich im Dialog mit anderen zu erkennen, während der Römer Marc Aurel versuchte, die Vermessung seines Selbst durch sehr detailierte, tagebuchartige Briefe vorzunehmen. Mit diesem historischen Rückbezug zeigte der Bildungswissenschaftler Dr. Thomas Damberger (Vertretungsprofessor am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität) in der MultimediaWerkstatt am 18. Oktober, welche Relevanz das Self-Tracking im Kontext des Lehrens und Lernens haben kann.
Unter dem Begriff des Quantified Self versteht man allgemein zunächst nur die Erfassung und Auswertung von eigenen körpergenerierten Daten wie z. B. zurückgelegte Schritte, verzehrte Kalorien oder den Schlafrhythmus. Die Daten werden mit Hilfe von Smartphone-Apps aufgezeichnet und können über das Internet mit einer Community geteilt werden.
Die Erfinder der Quantified Self Bewegung, Kevin Kelly und Garry Wolf (ehemalige Wired Magazin Redakteure), gehen von einer Selbsterkenntnis durch Zahlen aus und haben als Verbindungsseite eine eigene Seite erstellt, in der Nutzer Ihre Daten austauschen können: http://quantifiedself.com/
Mittlerweile sucht Google mit Hilfe des US-amerikanischer Autors, Erfinders, Futuristen, und „Director of Engineering“ (Leiter der technischen Entwicklung), Raymond Kurzweil, nach der Selbsterkenntnis durch ein Megavolumen an Datenzahlen.
Das Ziel ist sowohl die Selbsterkenntnis durch Zahlen als auch die Entwicklung von Strategien zur Selbstdisziplinierung und -optimierung. BefürworterInnen loben diesen Ansatz zur Selbsterkenntnis, Datenschützer kritisieren die freiwillige Herausgabe privater Daten.
Die TeilnehmerInnen diskutierten unter anderem über den Wert und die Nachteile der Daten wie in praktischen Apps wie der Lauf-App “runtastic“, die individuelle Laufstrecken Ihrer NutzerInnen anpasst: “Ich frage mich, was können/machen die Betreiber der App mit meinen Daten. Die Nutzung für mich ist großartig, ich habe viele Vorteile, aber was sind die Nachteile?”, fragt Niko Schenk in die Runde. Das der öknomische Nutzwert von Daten außer Frage steht, war für viele zwar ersichtlich, aber dennoch erschließt sich der Horizont des Vorstellungsvermögens über das “Wie” vielen Nutzer nocht nicht, was die Zukunft von Quantified Self auch erst noch zeigen wird.
Damberger hielt jedoch ein Plädoyer durch gezielte Wissenaneignung, über die Macher und Möglichkeiten, die Kontrolle über die Entwicklung zu behalten, statt eine “Bewahr-Pädagogik” anzuwenden, die nur die Gefahren aufzeige. Gerade kostenlose Apps werden oft durch den Verkauf von Nutzerdaten finanziert. Momentan stehen vor allem die Selbstoptimierung und Vergleichsdaten als Orientierung zwischen den Nutzern als Durchschnitt im Quantified Self Bereich hoch im Kurs. Es gäbe sogar schon Geschäftsmodelle wie das Teatreneu aus Barcelona, Spanien, das sich durch Messung der Lachquote der Gäste finanziert (mit einer Obergrenze als Lachflat). So utopisch manche Ansätze der Verfechter dieser rechnergestützten Auswertung riesiger Datenmengen zum Zweck der Selbsterkenntnis erscheinen mögen, so dürfen wir sehr gespannt sein, wie sich Quantified Self weiterentwickelt und ob wir in Zukunft aktiv oder passiv in einer matrixähnlichen technischen Welt leben werden.
Seine Homepage, sowie das Video des Vortrags sind hier erhältlich:
Welche Potenziale die Befürworter einer Künstlichen Intelligenz nicht zu Unrecht sehen findet man in einem aktuellen ZEIT-Artikel.
http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2016-10/google-kuenstliche-intelligenz-erfindet-eigene-verschluesselung