Es gibt Bücher, die eine*n durchs ganze Leben begleiten. „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler ist, für mich, eines dieser Bücher. Auch heute lese ich es immer noch gerne wieder und bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wie sehr mich dieses Buch ergreift.
Otfried Preußler ist in Deutschland nicht nur für Die kleine Hexe, die 1957 veröffentlicht wurde, bekannt. Andere Werke, wie Räuber Hotzenplotz, Das kleine Gespenst, Krabat und Der kleine Wassermann sind beliebte Kinderbücher und werden bis heute neu aufgelegt. Darüber hinaus gibt es zu einigen Büchern auch Ausmalhefte und extra Kurzgeschichten, die in Bilderbuchform erschienen sind. Durch die neuen Produkte bekannter Geschichten bleiben die Originale stets aktuell. Preußlers Bücher wurden bereits über 50 Mio. mal verkauft und in über 55 Sprachen übersetzt.
Auf der Homepage danskforfatterleksikon.dk konnte ich herausfinden, dass von Inger Gudmundsen einige Werke, darunter auch Die kleine Hexe (Den lille heks, 1963), Räuber Hotzenplotz (Røveren Runkeldunk, 1964) und Der kleine Wassermann (Eventyret om den lille søtrold, 1958) ins Dänische übersetzt worden sind, jedoch sind sie im dänischen Buchhandel leider nicht mehr erhältlich.
Aber nun zur Geschichte der kleinen Hexe:
Die kleine Hexe ist erst 127 Jahre alt. Das ist viel zu jung um als wahrhaftige Hexe auf dem Blocksberg die Walpurgisnacht zu feiern. Zusammen mit ihrem sprechenden Raben Abraxas macht sie sich dennoch auf den Weg dorthin, um mit den anderen Hexen in die Walpurgisnacht zu tanzen. Allerdings wird sie von ihrer Tante Rumpumpel gesehen und bei den Ältesten Hexen gemeldet. Diese sind alles andere als begeistert und geben ihr eine Strafe, von der sie sich sicher sind, dass die kleine Hexe sie niemals erledigen kann. Die kleine Hexe soll alle Zaubersprüche bis zur nächsten Walpurgisnacht auswendig lernen und damit beweisen, dass sie eine „gute Hexe“ ist. Doch wie soll sie das nur anstellen?
Wir begleiten die kleine Hexe auf dieser Reise. Sie lernt fleißig Zaubersprüche mit ihrem Raben, trifft auf Menschenkinder und lernt in diesem ganzen Abenteuer, was die wahre Bedeutung von „gut“ und „böse“ ist und was es im Endeffekt bedeutet eine „gute Hexe“ zu sein.
Die kleine Hexe und Abraxas, die Hauptcharaktere dieser Geschichte, verbindet eine tiefe Freundschaft. Die kleine Hexe ist ein bisschen schusselig, manchmal auch emotional und naiv und Abraxas, der mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat, ist trotzdem immer wieder die vernünftige Stimme, die der kleinen Hexe ins Gewissen spricht.
Dieses Kinderbuch ist so spaßig und lyrisch schön geschrieben, dass es mich jedes Mal aufs Neue verzaubert. Ein wahrer Klassiker! Otfried Preußler begeistert nicht nur mit seiner Fantasie und seiner anschaulichen Schreibweise, sondern auch mit der Moral der Geschichte, die nicht mit einem erhobenen Zeigefinger kommt, sondern ganz liebevoll an den Leser herangetragen wird.
Die Geschichte erinnert an einen klassischen Bildungsroman:
Sie hat einen gelungenen Spannungsbogen. Verallgemeinernd kann man sagen, ohne etwas zu spoilern, dass die Protagonistin eine Entwicklung durchläuft und lernen muss Probleme zu überwinden. Zum Schluss geht sie mit neu gewonnener Stärke und Festigung in ihrer Identität aus der ganzen Situation hervor.
Obwohl die Geschichte schon über 60 Jahre alt ist, wird die kleine Hexe als selbstständige, aber nicht fehlerfreie Frau gezeigt, die mit Herausforderungen zu kämpfen hat.
Das Bild der Frau entsprach in dem Kinderbuch also schon dem Bild der Frau, welches wir heute haben und das begeistert mich sehr!
Sie ist im Gegensatz zu den anderen Hexen eine verhältnismäßig junge Hexe, weshalb ihre Geschichte, gerade für jüngere, sehr greifbar ist. Die Identitätskrise, in der sie sich befindet, ist eine Phase, die jeder Mensch einmal mitmacht. Sie will zu einer Gruppe gehören, um mit ihnen zusammen zu feiern und zu tanzen, aber wie weit kann und will sie gehen, um sich ihnen anzupassen? Wie sehr lässt sie sich verbiegen? Sie muss ihre eigene Stimme mitten in dieser Krise finden und entscheiden, was richtig und falsch ist, wer sie ist, wer sie sein will und zu wem sie gehören will.
Die deutsche Ausgabe der Geschichte wird durch Illustrationen von Winnie Gebhardt begleitet, die es dem Leser leicht machen, sich in der Welt der kleinen Hexe zurecht zu finden und die Protagonisten besser kennen zu lernen. Es ist ein brillantes Kinderbuch, das Klein und Groß begeistert!
Im Jahr 2019 konnte man die Geschichte auf der Kinoleinwand erleben. Heute ist der Film auf Streamingdiensten zu finden. Entgegen meiner Befürchtung, der Film würde nicht meinen Vorstellungen entsprechen, hat er mir doch sehr gefallen. Natürlich reicht er nicht an das Buch oder das Hörspiel (das wirklich großartig vertont ist!) heran, dennoch sieht man, dass der Film sich sehr am Buch orientiert, was meiner Meinung nach immer ein wichtiger Aspekt einer Buchverfilmung sein sollte! Die Schauspieler überzeugen mit ihren Rollen und versetzen das Publikum direkt in die Welt der kleinen Hexe.
Abschließend kann ich nur sagen, dass die kleine Hexe große Freude bringt.
Wenn es ein Buch gibt, dass dich dein Leben lang begleiten wird, dann schreib es uns gern in die Kommentare!
Die kleine Hexe ist als Buch und als Hörspiel im deutschen Buchhandel erhältlich.