Gerade beginnt in Deutschland das dritte Semester, das so gut wie ausschließlich digital stattfindet. Wir haben uns über unsere Erfahrungen und Wünsche für die Zukunft ausgetauscht und präsentieren euch unser Gespräch in zwei Teilen.
Es wird viel über Nachteile der Coronapandemie berichtet. Was siehst du als Vorteil?
Sandra L.: Für mich ist ein Vorteil, dass ich durch die Online-Uni flexibler geworden bin. Aber vor allem, dass ich nicht pendeln muss, was mir viel Zeit erspart und vor allem viel Stressbelastung erspart. Was ich sehr gut finde, ist, dass ich es dann auch zur Uni schaffe, auch wenn es mir nicht so gut geht, weil ich nicht so den starken Druck von der Anwesenheitspflicht habe und mich das belastet, wodurch es mir dann länger schlecht geht und ich erst recht weniger schaffe.
Niklas: Ich würde da auch anschließen, mit der Möglichkeit, dass ich auch mal Veranstaltungen von anderen Universitäten besucht habe, oder dass man sich einfach nach einem breiteren Studienangebot umguckt. Ein Vorteil des Ganzen ist auch, dass man irgendwie gezwungen ist, Ausgleiche zu suchen und dadurch, dass man nicht mehr so viele neue Sachen von außen reinbekommt, anders diese Inputs suchen muss und dadurch ganz einfallsreich werden kann und sich neue Beschäftigungen sucht, neue Möglichkeiten, mit Menschen zu kommunizieren, und vielleicht auch ein Stück weit kreativer wird.
Vermisst du das Leben an der Uni?
Hanna: Ja, sehr! Normalerweise verabrede ich mich privat gar nicht so häufig, weil ich meine Freunde alle an der Uni treffe. Das ist ein Konsens, den wir alle haben. Jetzt nicht mehr in die Uni zu kommen, bedeutet für mich, dass ich kaum noch Sozialkontakte habe und dass ich mich jetzt wirklich drum bemühen muss, mit Leuten in Verbindung zu bleiben. Und was mir auch fehlt, ist dieses Campus-Leben, dass man nach einem Seminar das Ganze mit Kommilitonen noch einmal nachbespricht beim Mittagessen.
Sandra J.: Ich vermisse das Uni-Leben auf jeden Fall in den Kursen, wo man mit einer kleinen Anzahl an Leuten zusammensitzt und sich wirklich konstruktiv über Dinge unterhält. Da fühle ich mich dann auch wohl. Aber diese großen Kurse, wo zwei-, dreihundert Leute zusammensitzen, die für mich alle fremd sind und bleiben, die vermisse ich nicht. Und dann reden die einen in der Ecke über das und dann höre ich wieder nichts, weil ich Probleme habe, mich dann noch auf den Dozenten zu fokussieren. Ich vermisse auch überhaupt nicht das Pendeln. Ich habe zwei Stunden mehr Lebenszeit am Tag einfach nur, weil ich nirgendwo hin fahren muss.
Was bereitet euch die größten Schwierigkeiten im Online-Studium?
Hanna: Zeitmanagement und Motivation. Mir fehlen strukturierende Zeiten. Beispielsweise: um eine bestimmte Zeit aufstehen, weil ich eine bestimmte Bahn nehmen muss, um pünktlich in der Uni zu sein. Ich merke auch, dass es mir mit dem Fortschreiten des Semesters immer schwerer fällt, mich für irgendetwas aufzuraffen und ich Sachen nur so mache, dass ich den Schein kriege, aber nicht wirklich was daraus mitnehme. Das finde ich schade. Ein anderer Punkt ist die Arbeitsplatzsituation, dass ich Bett und Schreibtisch im gleichen Zimmer habe. Dadurch habe ich den Schreibtisch den ganzen Tag vor Augen und dann ist es sehr schwer, mental abzuschalten.
Sandra L.: Bei mir ist das Zeitmanagement tatsächlich eher besser geworden und die Motivation ziemlich gleich geblieben. Meine größte Schwierigkeit ist es, in Zoom konzentriert zuzuhören. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist irgendwie extrem kurz und ich ertappe mich total schnell und oft dabei, dass ich an was anderes denke, irgendwas anderes in meinem Zimmer angucke.
Was hast du Neues an dir entdeckt, seitdem die Uni geschlossen hat?
Sandra L.: Ich habe gemerkt, dass ich echt viel schaffen kann, wenn die Bedingungen mehr zu meinen Bedürfnissen passen. Das ist gut zu wissen, weil ich dann für die Zukunft schauen kann, dass ich, wenn ich den Master machen möchte, mir vielleicht zweimal überlege, ob ich dafür wirklich jeden Tag pendeln möchte oder es mir lieber anders einrichte. Neu ist auch, dass ich wirklich dankbar für Gruppenarbeiten bin. Wir hatten online Gruppenarbeiten und das hat sehr gut funktioniert und ich war immer sehr dankbar, weil alle zuverlässig waren und es gut kommuniziert wurde.
Sandra J.: Im letzten Jahr ging es mir mental nicht so gut. Aber zum neuen Jahr habe ich wirklich gemerkt, dass so langsam die Lust, Dinge zu tun, wieder zurück kommt. Ich bin wieder öfter in der Küche und koche, habe wieder angefangen zu malen, zu lesen, habe mein Klavier wieder angeschlossen. Lauter Sachen, die ich letztes Jahr gar nicht gemacht habe.
Anny: Ich habe gelernt, dass Lernen zuhause gar nicht so einfach ist. Durch die Umstellung auf Digital haben wir viel mehr Aufgaben. Wenn ich an meine Germanistikkurse denke, war es vorher nur Text vorbereiten und dann wurde im Seminar diskutiert, jetzt sind es etliche Aufgaben, die dazu kommen, und das alles zu Hause zu erledigen, ist ziemlich schwierig für mich. Aber ich bin in den letzten zwei Semestern disziplinierter geworden. Insgesamt gehe ich vieles bewusster an, bspw. koche ich häufiger selbst und lege mittlerweile höheren Wert auf die Kommunikation mit Freunden und Kommilitonen.