Gaming ist immer wieder im Verruf, schlechte Leistungen hervorzurufen und ein unnützer Zeitvertreib zu sein. Gerade erst berichten die Medien darüber, dass China eine neue Gaming-Politik eingeführt hat: So dürfen Jugendliche nur noch drei Stunden am Wochenende mit Online-Spielen verbringen, danach ist Schluss. Begründet wird das mit den steigenden Adipositas-Zahlen.
Also macht Gaming blöd, dick und bringt einen auf sozialer Ebene nicht weiter?
Dem würde ich in allen Punkten widersprechen. Ich möchte mich heute aber ausschließlich auf den sozialen Aspekt beziehen.
Gaming begleitet mich schon seit dem Grundschulalter, damals ging es mit dem ersten Gameboy und einer Super Nintendo Konsole los, die für die ganze Familie angeschafft wurde. Man hat sich mit allem abgewechselt und Super Mario durch seine Welten geschickt. Später kamen für mich dann noch der Familien-Computer und noch etwas später die PlayStation dazu. Als Kind war ich trotzdem immer aktiv, war beim Volleyball, beim Jazz und Modern Dance, hatte Klavierunterricht und war an den Wochenenden mit der Kinderkirche unterwegs, später auch als Betreuerin. Gaming war und ist für mich ein Ausgleich, den ich sehr genieße, der jedoch nicht mein Leben bestimmt. Damals habe ich jedoch meistens allein oder mit Freunden oder der Familie gespielt, mit dem Internet war es damals noch nicht so weit.
Während meines Abiturs kam ich zum ersten Mal mit dem Spieltyp MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game), also einem Mehrspieler-Online-Rollenspiel in Berührung. Mein damaliger Freund spielte zu dieser Zeit viel online und ich wollte ein bisschen mehr Zeit mit ihm verbringen und war neugierig, mit wem er da so spielt, schreibt und spricht. Schon damals wurde das Programm Team Speak zur sprachlichen Kommunikation untereinander genutzt. Den Freund habe ich zwischenzeitlich nicht mehr, beim Spiel bin ich geblieben und nehme mir bis heute zweimal in der Woche Zeit, mit meinen Freunden und Bekannten aus dem Spiel loszuziehen.
Freunde und Bekannte? Was soll das denn heißen?
Ja, richtig, Freunde und Bekannte. Mit manchen Mitspielern spiele ich schon seit über zehn Jahren zusammen. Klar, es trennten sich ab und zu die Wege, so wie es im Real Life (quasi dem „echten Leben“, wie es bei den Gamern oft mit Augenzwinkern verwendet wird) eben auch ist. Und trotzdem sind über die Jahre echte und beständige Freundschaften entstanden.
Gerade heute habe ich darüber nachgedacht, mit wem ich dieses Jahr eigentlich schon ein Eis an meiner Lieblingseisdiele hier vor Ort gegessen habe: mit zwei Menschen, die ich vom Online-Gaming kenne und nur mit einer Person aus meinem Heimatort. Wir Gamerfreunde haben auch schon gemeinsam Silvester gefeiert und uns mehrmals im Jahr gesehen.
Eine Freundin aus Duisburg hat mir spontan bei meinem letzten Umzug geholfen, ein Freund aus der Oberpfalz/Bayern hat mir ein Überraschungsgeschenk zum Geburtstag geschickt und sobald Covid zumindest einigermaßen „überstanden“ ist, planen wir ein Treffen, um uns endlich mal wiederzusehen. Besonders während der Corona-Zeit haben wir unsere Community unglaublich zu schätzen gelernt, haben sicherlich auch ein wenig mehr Zeit miteinander verbracht und sind wieder ein Stückchen mehr zusammengewachsen.
Auch die offiziellen Zahlen sprechen für das Gaming. Viele zogen sich während der Zeit, als man außer Einkäufen und einem Spaziergang quasi nichts draußen machen sollte, vor den Bildschirm zurück. Entweder mit Serien und Filmen, oder eben mit Gaming. Während der Isolation war man dankbar, dass man als Ausgleich in andere Welten entfliehen konnte und eine Möglichkeit hatte, Kontakte zu knüpfen.
Daraus können tatsächlich richtig tolle Freundschaften entstehen, oder sogar Beziehungen, die anhalten. Ich kenne Paare, die sich über das Online-Gaming kennengelernt haben, mittlerweile verheiratet sind und Kinder haben. Online-Freundschaften als minderwertig und nicht echt zu bezeichnen, ist schlichtweg falsch und wird der Bindung in nicht annähernd gerecht. Tatsächlich ist es sogar verletzend und es wäre wünschenswert, wenn man in Zukunft das Naserümpfen beiseiteschieben und Interesse zeigt. Es ist ja nicht schlimm, wenn man damit keinerlei Erfahrung hat, solange man nicht vorschnell urteilt.
Discord – Vom Gaming-Tempel zur großen Plattform für jeden
Selbst der Anbieter Discord hat die großen Veränderungen über die Corona-Zeit gemerkt. Im Jahre 2015 als reine Kommunikationsplattform für Gamer gegründet, tummeln sich dort heute Menschen aus allen Bereichen. Auch Fachschaft der Frankfurter Skandinavistik hat einen eigenen Discord-Server, auf dem man sich für Spiele-Abende trifft, die vor Corona im Fachschaftsraum stattgefunden haben. Auch die Fachschaftssitzungen und die zwei saisonalen Feste – das Glögg- und das Mittsommer-Fest – finden teilweise hierüber statt.
Man kann sich über die Schreibfunktion auf verschiedenen Kanälen austauschen, Bilder schicken oder via (Video-)Chat mit anderen sprechen und sich dabei auch, wenn man denn möchte, sehen.
Gemeinsam Spiele spielen und dabei quatschen wird dadurch unproblematisch und angenehmer als ein Telefonat. Das war, besonders während der Lockdowns, natürlich nicht nur für Gamer interessant, so überrascht es nicht, dass das Unternehmen einen so starken Aufschwung erlebt hat.
Gaming ist ein kleiner Zufluchtsort, so wie andere in einem Buch versinken (was ich auch regelmäßig brauche!) oder die Staffel einer geliebten Serie genießen. Selbstverständlich ist bei all diesen Komponenten Vorsicht zu gewähren, besonders wenn das Genuss-Erlebnis zu einem Suchtverhalten wird. Um es mit einem Ladescreen eines Online-Games zu sagen:
Man sollte alles in Maßen genießen, auch World of Warcraft.
Was spielt ihr denn gerne? Was sind eure aktuellen Favoriten?