Schreibkompetenz ist etwas, das wir im Studium lernen sollten. Denn schließlich ist ein Studium die Ausbildung zur Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs und der geschieht zu einem nicht unerheblichen Teil schriftlich. Aus diesem Grund schreiben wir gerade in geisteswissenschaftlichen Fächern schon früh und von da an das gesamte Studium hindurch Hausarbeiten. Allein in meinem Bachelor habe ich acht Hausarbeiten geschrieben.
In Hausarbeiten sollen Studierende zeigen, dass sie an den wissenschaftlichen Diskurs anknüpfen und eigene Gedanken entwickeln können; dass sie eine These aufstellen und argumentativ belegen können; dass sie wissenschaftsethisch mit Forschungsliteratur umgehen und diese korrekt zitieren können. Doch nur wenige Institute vermitteln diese Kompetenzen aktiv.
Ich hatte das Glück, in meinem Nebenfach Germanistik ein obligatorisches Tutorium zu besuchen, in dem mir das ABC der Hausarbeiten vermittelt wurde: einmal wöchentlich neunzig Minuten nur zum akademischen Schreiben. Und dennoch bin ich ziemlich naiv und intuitiv an meine ersten Hausarbeiten herangegangen – eher wie an einen Schulaufsatz. Wenn ich mir diese Hausarbeiten heute anschaue, kann ich gar nicht glauben, dass die so gut bewertet wurden.
Doch eigentlich schaue ich mir alte Hausarbeiten nicht an. Eigentlich bin ich nach wochenlanger Recherche, Strukturierung und Umstrukturierung, Formulierung und Umformulierung einfach nur froh, das Ding endlich abgegeben zu haben. Noch einmal drauf zu gucken, könnte mir eventuelle Fehler offenbaren, die ich ja nicht mehr ändern kann – und das würde mich und meinen Perfektionismus enorm stressen. Also warte ich einfach auf meine Note und solange die meinen Ansprüchen genügt, fasse ich die Hausarbeit nicht mehr an. Das Problem bei dieser Strategie ist, dass man von einigen Dozierenden kaum mehr Feedback auf einen Text bekommt als die Note.
Ich habe an einem kleinen Institut studiert, wo Studierende zum Glück sehr gut betreut sind. In der Skandinavistik habe ich von fast allen Dozierenden eine ausführliche Begründung der Bewertung bekommen und wurde teils sogar ausdrücklich in die Sprechstunde eingeladen, um meine Arbeit zu besprechen. Das ist in diesem Umfang natürlich nur möglich, weil die Skandinavistik ein kleines Fach mit wenigen Studierenden ist.
Doch in vielen anderen Fächern bekommen Studierende nur ein oder zwei Sätze zum Gesamteindruck, mehr Feedback müssen sie häufig aktiv einfordern. Und wer macht das schon freiwillig? Für gewöhnlich haben gerade Studienanfänger*innen großen Respekt vor Dozierenden. Aber wie soll man ohne dieses Feedback denn wissen, was man zukünftig besser machen sollte – und was man schon gut kann? Wie soll man Schreibkompetenz entwickeln und weiter ausarbeiten, wenn man kein ausführliches Feedback auf die eigene Arbeit bekommt?
An diesem Punkt setzen universitäre Schreibzentren an. Sie beraten Studierende zu ihren Hausarbeiten und bieten Workshops oder ähnliches an, um Schreibkompetenz zu vermitteln. Diese Angebote sind für Studierende in der Regel kostenlos. Das oberste Ziel ist dabei nicht etwa die Texte zu verbessern, sondern die Studierenden zu kompetenten Schreibenden zu entwickeln – was sich in der Folge natürlich auch auf die Qualität der Texte auswirkt.
Natürlich können Studierende in Schreibberatungen auch Feedback auf ihre Texte bekommen. Hauptsächlich geht es aber um die Methodenvermittlung und Begleitung im Schreibprozess. Wie finde ich ein geeignetes Thema oder eine Fragestellung? Wie sieht eine Hausarbeit eigentlich von der groben Struktur her aus? Wie argumentiere ich? Was gehört in Einleitung und Fazit – und was nicht? Was mache ich, wenn ich eine Schreibblockade habe? Wie kann ich meinen Text überarbeiten? Wie viel Zeit muss ich einplanen? Und geht es eigentlich nur mir so oder haben andere die gleichen Schwierigkeiten beim Schreiben?
Zu den meisten dieser Fragen bekommt man in der Schreibberatung Antworten. Bei manchen müssen die Beratenden jedoch auf die jeweiligen Betreuer*innen der Arbeiten verweisen. Denn Schreibberatungen sind in der Regel fachübergreifend, was bedeutet, dass die Beratenden zwar die wissenschaftlichen Kriterien einer Hausarbeit kennen und vermitteln können, jedoch keinen Einblick in fachinterne und institutsspezifische Regelungen haben. Auch sind sie keine Experten auf dem jeweiligen Themengebiet, das bleiben die ratsuchenden Studierenden selbst.
Dieses Prinzip nennt sich Peertutoring. Die Beratenden sind in der Regel selbst noch Studierende und sind vom Erfahrungsstand her auf einer Ebene mit den Ratsuchenden. Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht und kennen die Herausforderungen, die beim Erstellen von Hausarbeiten und der Kommunikation mit Dozierenden auftreten können. Sie sind jedoch auch Experten in Sachen wissenschaftliches Schreiben. Die Ratsuchenden wiederum sind Experten in ihrem Fachgebiet. Dadurch entsteht ein Austausch auf Augenhöhe, in dem die Ratsuchenden sich gehört und ernstgenommen fühlen. Schreibberatungen durch Peertutoring sind somit deutlich niedrigschwelliger als Sprechstunden mit Dozierenden – aber sie ersetzen diese natürlich nicht. Themen und Fragestellungen müssen trotzdem weiterhin mit den verantwortlichen Dozierenden abgesprochen werden. Generell ist es zu empfehlen, beim Schreiben von Hausarbeiten in regelmäßigem Kontakt mit den Dozierenden zu bleiben.
Info: Das Schreibzentrum an der Goethe-Uni ist mittlerweile eines der größten in Deutschland: mit acht wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, 25 Peertutor*innen und 21 Writing Fellows. Gegründet wurde es 2009 und ist seitdem stetig gewachsen.
Gibt es an euren Universitäten Unterstützungsangebote zum wissenschaftlichen Schreiben? Welche Erfahrungen konntet ihr dabei sammeln? Schreibt es uns in die Kommentare.
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