Kritik an den xMOOCs
Prof. Schulmeister hat sich in die “investigativen Wissenschaft” begeben und als “undercover student” zusammen mit Burkhard Lehmann und Sandra Hofhues einige der aktuellen amerikanischen MOOCs untersucht. Die Ergebisse dieser Untersuchung hat er jetzt auf der Campus Innovation vorgestellt – ein Vortrag, der aufgezeichnet wurde und den wir, sobald er online verfügbar ist, hier gern verlinken werden. Zugleich haben Joachim Wedekind und ich stellvertretend für das ganze OPCO Team dort unseren cMOOC OPCO12 vorgestellt und ich habe nochmals den Bogen vom OPCO11 auf OPCO12 bis zum jetzigen, begleitend zum Hessischen Funkkolleg stattfindenden offenen online Kurs (OOK fkmedien) ziehen können und den Vergleich herstellen. In der an unseren Vortrag anschliessenden Diskussion, an dem sich auch die damals im OPCO11 intensiv engagierte Jasmin Hamadeh, beteiligte, wurde nochmals deutlich, dass die Teilnehmenden, die beide MOOCs mitgemacht hatten, durchaus Unterschiede zwischen den beiden Kurse erlebten, was ja auch in der abschliessenden Evaluation deutlich wurde. (Unterschiede die übrigens von Teilnehmenden, die sich nur am OPCO12 beteiligten, oftmals nachvollzogen werden können, was ja auch nur verständlich ist, da ihnen ja auch der direkte Vergleich fehlt). Diese Unterschiede, die ich selbst oftmals der Einführung der Badges zuschreibe, die nach meinen Kollegen Wedekind und Robes aber auch möglicherweise
- der etwas unterschiedlichen Teilnehmerstruktur,
- der Tatsache, dass es nicht mehr der erste deutsche MOOCs war und das Format inzwichen bekannt war,
- der stärker vom Thema und weniger nur vom Interesse am Format her motivierten Teilnahme
zuzuschreiben sind – womit sie sicher auch recht haben. Einige der Hypothesen werden wir in einem Auswertungstreffen am 12.12.12 angehen können, in dem sich das Veranstalterteam jetzt endlich zur Analyse des Kurses trifft (leider etwas zeitlich verzögert, was sich der Arbeitsbelastung aller Beteiligten zuschreiben lässt ).
Gib MOOCs eine Chance!
Was mich veranlasst diesen Beitrag zu schreiben, ist vor allem die Diskussion rund um die MOOCs wie sie in der Abschlussdiskussion der Campus Innovation im Anschluss an den Vortrag von Prof. Schulmeister geführt wurde (in diesem Kontext wurde sogar kurz der Verdacht des “MOOCs Bashings” getwittert ).
Ich selbst sehe die Entwicklung der MOOCs sehr entspannt und darin vor allem ein grosses Potential, den Weiterbildungsbereich noch weiter zu öffnen, für Bildungsinsitutionen (auch für Hochschulen) das Potential, mit dem Format nach außen zu gehen, neue Zielgruppen zu erreichen und Experimente zu machen in dem ganzen Spektrum zwischen xMOOCs (Standford MOOCs) und cMOOCs, wie ich sie in meinem Beitrag “Wann ist ein MOOC ein MOOC” hier in diesem Blog kürzlich geschrieben habe und wie sie gerade ja vielerorts diskutiert werden.
Doch ich stimme auch Rolf Schulmeister zu, wenn er die MOOCs der amerikanischen (Elite-)Universitäten an ihren eigenen Zielen misst, wenn sie verkünden, universitäre Lehre zu bieten mit Klausuren und Schwellen- und Dritteweltländer mit Bildung versorgen zu wollen (hier legte er Untermaureung seiner Kritik eine Folie der tatsächlichen Zusammensetzung der Teilnehmer nach Ländern auf). Gleichzeitig bleibt abzuwarten, ob es nicht auh einfach eine Frage der Zeit ist, bis man überregional/international Teilnehmende erreicht – das ist ja bei jedem neuen Bildungsangebot eine Frage der Zeit bis es diffundiert und bekannt wird. Das geht jeder Volkshochschule mit einem online Englischkurs ja ebenso.
Doch wenn die MOOC-Anbieter von diesen Ansprüchen abrücken und einfach damit zufrieden sind,
- Bildungsinhalte die an Hochschulen entstehen und dort erzeugt werden, strukturiert nach außen zu geben, (und damit meine ich jenseits von OpenCourseware eben strukturierte Kurse anzubieten mit Hilfe der Taktung und Quizzes, aich wenn die online Betreuung fehlt, wie Schulmeister sich auch zu Recht kritisiert, dazu später)
- dies öffentlich, kostenfrei zu tun oder dafür tragfähige und datenschutzmäßig faire Geschäftsmodelle zu entwickeln,
- die Klausuren einfach als Motivationsinstrument für die Teilnahme sehen,
- die Wertigkeit eventueller Teilnahmebestätigungen deutlich machen,
- den Teilnehmenden klar machen, was sie zu erwarten haben (z.B. Reviews von schlecht qualifizierten Peers),
- und bereit sind, mit den hohen Abbrecherquoten zu leben (die ich persönlich gar nicht so negativ bewerte, denn viele Teilnehmende melden sich nunmal an und schauen ob sie es schaffen und wollen gar nicht unbedingt bis ans Ende des Kurses durchhalten, aber jenseits der Quizzes Zugriff auf die Materialien haben. Wenn man sich als Veranstalter darauf einstellt, ist das nicht so ein grosses Problem).
Wenn man also mit diesen Prämissen lebt, dann können xMOOCs ein wertvolles weiteres Bildungsangebot darstellen und an dieser Stelle plädiere ich für eine Breite und Vielfalt an Angebotsformen, so dass sich Bildungsinterssierte aus diesem Spektrum die jeweils für sie ädequate Angebotsform aussuchen können. Dies setzt natürlich voraus, dass diese Angebote ausreichend und transparent beschrieben werden, die Ziele und das zu Erwartende transparent dargestellt wird und der Bildungsinteressierte über die Kompetenz verfügt, seine Lernerhalten und das Angebotsformat ausreichend einzuschätzen – eine Fragestellung, der sich beispielsweise die Bildungsberatung für an Fort- und Weiterbildung Interssierte in Hessen zunehmend widmet. Wem es nicht gefällt, wen es überfordet, der kann ja aus dem Kurs aussteigen. Im Falle der MOOCs wiegt der Vorteil der kostenfreien Teilnahme eine Fehlentscheidung im Unterschied zu kostenintensiven Weiterbildungsangeboten auf. Zudem glaube ich nicht, dass bei 10.000 bis 100.000 Teilnehmenden alle Bedürfnisse der Lernende in deren Unterschiedlichkeit berücksichtigt werden können – allein die Vielzahl und Breite an Angebotsformaten stellt sicher, dass für jeden Bildungsinteressierten das passende Format und Bildungsangebot dabei sein sollte.
Wie Schulmeister sicher zu recht krititisiert, ist die fehlende Betreuung ein Problem. Doch vielleicht sind xMOOCs einfach eher eine getaktete, mit Quizzes versehen Bereitstellung von Inhalten, die für bestimmte Lerner, die eben die Voraussetzungen, Vorkenntnisse und die nötige Selbstorganisationsfähigkeit mitbringen, geeignet sind. Sie sind damit nur einen Schritt entfernt von Lernen mit CDROMs und WBTs – erweitert um die Vernetzung der Lernenden untereinander in Foren und per Peer Reviews. Ich denke daher, die xMOOCs haben durchaus ihre Existenzberechtigung, wenn sie richtig kommuniziert, richtig eingeschätzt werden und mit den Nutzungsdaten der Lernenden (Stichwort Learning Analytics) fair umgegangen wird … alleine aufgrund der grossen Teilnehmerzahlen lassen sie sich einfach nicht mehr wegreden.
Oder wie Daniel Spielmann in Twitter schreibt:
Da mich selbst eben vor allem die Betreuung und Begleitung der Lernenden und vor allen die Ermöglichung des diskursiven Austauschen zwischen ihnen interessiert, habe ich mich eher für die Durchführung von cMOOC Varianten entschieden, die sicher auch – wie Schulmeister mir immer wieder deutlich macht – eher im Weiterbildungskontext anzusiedeln sind und für mich oft eine Fortbildung von schon sehr qualifizierten Menschen darstellen, die Zeit und Interesse haben, sich im Verbund mit anderen Lernenden fortzubilden und auszutauschen. Sie nähern sich damit manchmal fast eher einer online Konferenz als einem online Kurs oder wie Joachim Wedekind es nennt: COOL Cooperative Open Online Learning.
Zum Abschluss: Flipped classroom und MOOCs
Abschliessend möchte ich nochmals auf die Konsolidierung meines Video-Beitrags mit Chistian Spannagel zurückkommen. Eine Chance für MOOCs liegt auch in dem von Volkmar Langer als “Blended MOOC” bezeichnetem Konzept. Die in Hochschulen entstehenden Contents wie z.B. Vorlesungsübetragungen und -aufzeichnungen aber auch extra für MOOCs erstellte Inhalte können eingesetzt werden, um Präsenzveranstaltungen an verschiedenen Standorten zu unterstützen. So hat beispielsweise die Universität Kassel schon vor einigen Jahren begleitend zur Aufzeichnung einer an der Universität Frankfurt durchgeführten Ringvorlesung “Medien und Gesellschaft” vor Ort Seminare organisiert, um lokal ein Medienbildungszertifikat umzusetzen. Auch begleitend zum OPCO 11 und OPCO12 wurden an der Universität Frankfurt Tutorien durchgeführt, bei deren Besuch Studierende nach Erbringung einer Studienleistung Credits erlangen konnten. Begleitend zum aktuell laufenden Kurs des Funkkollegs des hessischen Rundfunks wird an der Universität Leipzig ein Seminar für Lehramtsstudierende angeboten. In all diesen Beispielen übernimmt der MOOCs den wissensvermittelnden Teil des flipped classroom Konzeptes und die seminaritisch und dialogisch angelegten Präsenzveranstaltungen stellen Raum für die Anwendung und Vertiefung bereit. Vorstellbar ist in diesem Kontext auch die Bereitstellung von Übertragungen und Aufzeichnungen universitärer Vorlesungen und die Duchführung begleitender Präsenzseminare beispielsweise an Volkshochschulen, womit MOOCs noch stärker in die Fort- und Weiterbildung Einzug halten und ihren Beitrag zum lebenslangen Lernen leisten könnten. Dass ein außeruniversitäres Interesse an den Angeboten der Universität vorhanden ist, zeigt beispielsweise der rege Besuch der Veranstaltungen der Universität des dritten Lebensalters an der Universität Frankfurt, welche durch einen MOOC eine Entlastung und Dezentralisierung ihrer Präsenzlehre bei gleichzeitiger Erhöhung dialogischer und reflexiver Anteile erreichen könnte.