Hochschulen und das „Open“ – zwei ungeliebte Partner? … auf der Fahrt zur OER2013

Gedanken auf dem Weg zu OERde13 – Auftakt zur Diskussion: eine Frage ….

Morgen startet die OERde13, die deutschsprachige Konferenz zu Open Educational Ressources (OER) und eben noch fand die Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft statt. Auf dem Weg zwischen den beiden Tagungen, bei der Vorbereitung eines Beitrags zum Forum „Brauchen wir die Hochschulen noch, wenn alles Lernen Open ist?“, zu dem ich eingeladen wurde, und angeregt durch den eben erschienenen Call zum 11. Hamburger eLearning Magazin zum Thema OER, entstanden die folgenden Fragen.

(Dieser Beitrag spiegelt eine persönliche Meinung der Autorin und nicht unbedingt die ihrer Einrichtung, wobei wir sicher das Thema in Frankfurt angehen werden)

(Text als PDF)

Auf der GMW haben wir uns in zwei Keynotes mit den Herausforderungen des „Open“ für die deutsche Hochschullandschaft befasst. Dabei wurde wieder einmal deutlich, dass es schon zahlreiche Angebot gibt, z.B. educational content verfügbar zu machen, dieser aber von Hochschulen oftmals nur wenig genutzt wird. Dabei liegt die Problematik in zwei Dimensionen: Zum einen kennen viele der entsprechenden Akteure und damit auch Multiplikatoren diese Angebote nicht, zum anderen sind es deren (der Angebote, nicht der Akteure, wobei letztere natürlich auch viele sind) so viele, dass man schnell den Überblick verliert und es einer nicht zu unterschätzenden Kompetenz braucht, die vielen Plattformen zu kennen, zu nutzen, und dann auch noch in der Lehre oder Forschung einzusetzen.

Ein weiterer Gap (im Sinne von „Lücke“), der auf der GMW2013 deutlich wurde, ist, dass Plattformen, die für die Forschung genutzt werden, noch lange nicht in der Lehre bekannt sind (und umgekehrt). Aber lassen wir uns vorerst mal den Blick in die eine Richtung vornehmen: Um die entsprechenden Tools, Portale und offen verfügbaren Inhalte, die für die Forschung bereitstehen (s. dazu z.B. die beiden Keynotes von Prof. Dr. Lorna Hughes und Prof. Dr. Marc Rittberger auf der GMW2013) auch in der Lehre nutzbar zu machen, müssten Lehrende diese schon frühzeitig im Rahmen des Studiums ihrer Studierenden zum Einsatz bringen, so dass letztere diese frühzeitig kennen lernen und es für sie zum ganz selbstverständlichen Umgang wird, diese Tools und Inhalte einzusetzen. Dass dies oftmals nicht passiert, zeigt z.B. das Projekt Biokemika an der Universität Frankfurt, ein studentisches eLearning-Projekt (zentral gefördert aus der eLearning-Förderung für Studierende (SeLF) der Goethe-Universität), das von Studierenden initiiert wurde, um KommilitonInnen an elektronische Datenbanken heranzuführen, die sie im Studium zwar benötigen, deren Nutzung sie aber leider niemals kennen lernten. Dass der Fachbereich dieses Bedarf jetzt zum Glück erkannte, spiegelte sich darin, dass er Einführungsveranstaltungen des Projektes in seine Orientierungsphase für Studierende integrierte und auch durch die Vergabe von Credits sogar curricular verankerte.

Doch dies ist nur eine Lücke, die geschlossen werden müsste. Die viel größere liegt in der Bereitstellung und Nutzung von Open Content durch Hochschulen. Die eine Bewegungsrichtung liegt in der öffentlichen Bereitstellung von an Hochschulen generierten digitalen Inhalten. Auch wenn alle hier mit Lippenbekenntnissen schnell sind und die Notwendigkeit und den Bedarf sicher schnell anerkennen, so ist es bis zur Umsetzung noch lange ein zweiter Schritt. Kaum eine Hochschule hat eine dedizierte, ausgereifte und ausformulierte Open Content Strategie. Was uns amerikanische Hochschulen wie MIT und Stanford mit OpenCourseWare und Stanford iTunesU-Ansatz (und heute mit den MOOCs) vormachten, ist in Deutschland noch lange nicht angekommen. Sicherlich: die amerikanischen Hochschulen unterliegen einem komplett anderen Geschäftsmodell, haben damit auch andere Interessen und es sind noch längst nicht alle, die solche Ansätze umsetzen. Trotzdem muss man zugeben, dass die Diskussion um die Content-Bereitstellung auch in Deutschland schon alt ist. Ich kenne sie zumindest noch aus den Jahren 2004-2005, gegen Ende der ersten Förderrunde des BMBF als wir uns fragten, wohin mit all dem im Rahmen dieser Förderung entstandenen Content und wie man hier für Nachhaltigkeit sorgen kann. Erste Initiativen entstanden wie das (die kurz über lang aufgrund mangelnder finanzieller Ausstattung oftmals aufgeben mussten), s. z.B. das Portal educanext in Österreich sowie Prometheus Bildarchiv, das als Verein überlebte, und Plattformen wie Physik-Multimedial, Chemie 2000 usw. und der Trend schien Richtung fachspezifischer Repositories zu gehen. Kurz wurde auch der deutsche Bildungsserver mal als Ort der kollektiven Lagerung von Content gehandelt, gleichzeitig bildeten sich im schulischen Bereich Portale wie das damalige learn:line (NRW), Lernmodule.net, das heute sehr bekannte Wikiversity und die immer gültige Zentrale für Unterrichtsmedien (ZUM) heraus, die irgendwann dann endlich auch den (optischen) Sprung in die modernen Zeiten schaffte.

Doch heute stellt sich immer noch für Hochschulen die Frage: Wohin mit dem Content, wenn man ihn nicht nur auf den eigenen Portalen öffentlich bereitstellen will. Und selbst wenn man dort einen Ort gefunden hat, zersplittert er sich oft in Portale verschiedener Medienformate wie z.B. Vorlesungsaufzeichnungen, Arbeitsblätter (PDFs) und gar WBTs auf verschiedenen Servern (so bei uns an der Universität Frankfurt) – hier ruft es nach einer Content Strategie für Hochschulen.

Auch dann bleibt immer noch die Frage nach dem WOHIN? Bleibt man auf dem eigenen (ggf. irgendwann die verschiedenen Medienformate integrierenden) Portal oder geht man ins Netz und wenn ja, wohin dort? Angebote gibt es viele, die Schule und Hochschule gleichermaßen bedienen s. z.B. edutags, edushare, Wikiversity u.v.m. … sind es ggf. gar zu viele? Oder warten wir auf geeignete Suchmaschinen, die die Wahl des Portals überflüssig machen und über viele suchen wie z.B. Elixier.

Ist es also eine Frage des des WO? Des Knowing where?

Eine weitere Problematik, die wir schon 2004/2005 diskutiert haben und die auch heute noch besteht: Hochschullehrende haben einzeln wenig Anreize, die von ihnen generierten Inhalte öffentlich ins Netz zu stellen. Selbst wenn sie dazu bereit sind, ist es eine Frage der Zeit, der Kompetenz und der verfügbaren Ressourcen, ob sie das tun werden. Es existieren zwar so ambitionierte Lehrende wie beispielsweise Prof. Christian Spannagel, PH Heidelberg, oder Prof. Loviscach, FH Bielefeld, die dies voller Enthusiasmus tun und ihre Lehrvideos in YouTube bereitstellen. Doch nicht alle bringen die Zeit und diesen Begeisterung auf, ihre Arbeits- aber sicher auch Freizeit für die öffentliche Content-bereitstellung aufzubringen. Vor allem wenn es viele tun, wird der Lohn der zur Zeit noch damit verbundenen Aufmerksamkeit und Medienwirksamkeit (den ich den beiden genannten Lehrenden als Antriebsmotor nicht unterstelle, der aber bei dem einen oder anderen eine Rolle spielen könnte) nachlassen und nicht mehr so verfügbar sein. Wozu sollten Hochschullehrende dies also tun?

Ist dies daher eher eine Frage der Kompetenz? Oder eine Frage der Anreize?

Es könnte eine ethische Frage sein, die auch im Rahmen mit wissenschaftlichen Publikationen immer wieder diskutiert wird, dass öffentlich finanzierter Content (Lehre an öffentlich finanzierten Universitäten und Hochschulen), soweit digital verfügbar auch öffentlich verfügbar gemacht werden könnte. Doch ohne entsprechende eLearning-Einrichtungen, Rechenzentren oder Bibliotheken, die hier Unterstützung und Aufklärungsarbeit leisten und ggf. die öffentliche Bereitstellung als Dienst¬leistung innerhalb der Hochschule sogar übernehmen, wird dies wohl kaum in größerem Umfang geschehen. Auch dann stellt sich die Frage: Wer übernimmt die entsprechenden Kosten. Ohne eine zusätzliche Aufwandsentschädigung der einzelnen Einrichtungen werden diese dies wohl kaum aus den laufenden Budgets einfach so mit übernehmen können, außer sie finden sehr effiziente Routinen oder haben nur eine geringe Zahl an Inhalten öffentlich bereitzustellen (auch da bleibt immer wieder die oben genannte Frage: Wohin damit? Wo bereitstellen? Auf den eigenen Portalen oder wo im Netz?).

Ist dies also
– eine Frage der Ethik?
– Eine Frage der Verpflichtung?
– Eine Frage des Geldes?
– Eine Frage der Res-sourcen?

Tatsächlich hatten wir Lehrende der Universität Frankfurt, die gerne bereit waren, die von ihnen entwickelten digitalen Inhalte öffentlich online bereitzustellen, aber sie wussten einfach nicht wo.

Eine weitere Dimension ist die oftmals vorherrschende Unsicherheit bei Lehrenden in Bezug auf urheberrechtliche Aspekte in ihren Folien, wenn sie beispielsweise Vorlesungsaufzeichnungen bereitstellen. Hier hilft oftmals nur die direkte Aufklärung über rechtliche Aspekte. Und dies ist als Teil einer Kompetenzdimension für Lehrende zu sehen in Bezug auf Umgang mit sowie Generierung und Bereitstellung von digitalen Lehrmaterialien. Ebenso wie sie aufgeklärt werden können, wie, von wo und wozu sie digitale Materialien nutzen können, so gehört dazu, sie zu informieren, wie sie ihre eigenen Materialien online bereitstellen und anderen zur Nutzung zuführen können, dazu gehören (urheber)rechtliche Aspekte ebenso wie technische und didaktische Aspekte.

Ist dies somit
– eine Frage des Urheberrechts?
– eine Frage der damit verbundenen (Un-(sicherheit?
– und damit eine Frage der Aufklärung?

Ein Spruch sagt, ein (Hochschul)Lehrender würde eher die Zahnbürste des Kollegen nutzen, als dessen Skript. Das dies nicht ganz so ist, belegen einige Untersuchungen. Zugleich zeigte sich in den letzten Jahren (und mehr noch gegen Ende der ersten BMBF Förderrunde zur Contententwicklung) dass umfangreicher, starrer Content sich weniger zur Wiederverwendung eignet, als modularer, kleinschrittiger Content wie z.B. einzelne Animationen, Filme, Arbeitsmaterialien usw., was schon damals zur Zergliederung von Content in kleinere Einheiten und dessen Weiterbearbeitung führte. Dass Lehrerinnen und Lehrer an Schulen ein höheres Interesse daran haben, Content von anderen zu nutzen, liegt einfach an deren geringeren Personal- (und Zeit)ausstattung eigenen Content zu entwickeln, wie sie manche Hochschullehrende durch die Ausstattung mit einem ganzen Team verfügen und die den Lehrerinnen und Lehrern übliche Praxis, Inhalte von Schulbüchern, später aus dem Internet usw. zur eigenen Unterrichtsvorbereitung zu nutzen. Hochschullehrende stehen unter viel größerem Druck, eigene Publikationen, Lehrbücher usw. zu erzeugen, haben daher auch Interesse ihr Material ggf. in Publikationen zu verwenden oder Sorge, Urheberrechtsverletzungen zu begehen, wenn z.B. die Aufzeichnung ihrer Vorlesung frei verfügbar im Netz steht. Zudem besteht, ggf. auch bei jüngeren Lehrenden – auch die Angst, dass die Kollegen die eigene Lehrpraxis kritisch unter die Lupe nehmen… ein Verhalten was durch den nicht üblichen Besuch der Vorlesung des anderen fast ausgeschlossen und tabuisiert wird (Gleichzeitig wird über die Vorlesungsaufzeichnung ja auch viel mehr über die eigene Lehre preis gegeben als über ein Arbeitsblatt eines einzelnen Lehrers auf der ZUM Webseite – dies darf nicht vergessen werden). Doch wieso sind Hochschullehrende so reluctant (im Sinne von widerständig) in der Nutzung des Materials der anderen, wie auch in der Bereitstellung ihres eigenen Contents für die Nutzung durch andere?

Ist dies
– eine Frage der eigenen (Lehr)Praxis? Des eigenen Lehrhandelns?
– eine Frage der Kultur?
– eine Frage der Angst?
eine Frage von was eigentlich?

Gerne würde ich Rückmeldungen zu dieser Frage bekommen, eine Diskussion führen. Es ist eine Frage an die Community der Lehrenden, eLearning- Einrichtungen und MultiplikatorInnen….. ich bin gespannt auf Antworten und freue mich über Reaktionen ….  …das Thema der MOOCs sei an dieser oder anderer Stelle dann gerne auch mal diskutiert ;-).

Über Claudia Bremer

Claudia Bremer, eLearning, Goethe-Universität Frankfurt

3 Kommentare zu “Hochschulen und das „Open“ – zwei ungeliebte Partner? … auf der Fahrt zur OER2013

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