Theatre of the A-Human
Das Symposium geht aus von dem in Stücken, Essays, Briefen, Manuskripten und Inszenierungen Heiner Müllers zu beobachtenden Thema der a- oder in-humanen Grenze des Menschlichen: Es begegnen dort Tiere, Engeln und Fabelwesen sowie nicht-menschlich zu nennende Darstellungsweisen: Chöre, aus Buchstaben gebildete Landschaften, Geister, Bilder… Angeregt durch Müllers Arbeit soll die Art und Weise analysiert und kritisiert werden, wie das A-Humane ins Gegenwartstheater eingeht.
Der Bereich und das Ereignis der Aufführung ist umgeben und wird ermöglicht durch Diskurse, Institutionen, materielle und technische Infrastrukturen sowie sozio-ökonomische Netzwerke. Es ist ebenfalls umgeben von menschlichen Körpern, denjenigen der Zuschauer, der Darsteller, Techniker, Produzenten und Angestellten, deren Beiträge mehr oder weniger sichtbar sind. Nicht zuletzt ist es umgeben und wird ermöglicht durch eine Vielzahl von ambivalenten oder unheimlichen Wesen, von denen wir nicht sicher sagen können, ob sie lebend oder tot, mythisch oder empirisch, materiell oder immateriell, Objekte oder Subjekte, real oder phantastisch sind. Wir haben es mit nicht- oder genauer a-humanen Faktoren zu tun, schwachen Agenten oder Kräften, die niemals als solche in die Aufführung eingehen können. Sie müssen immer in die diskursiven und institutionellen Kreise eingehen, welche die Aufführung umgeben und unterliegen einer Veränderung, der Deformation, welche diese Kreise ihnen auferlegen. Je mehr diese Faktoren verändert werden, desto ambivalenter und allgegenwärtiger wird ihre „Anwesenheit“ oder die Rolle, die sie im Kontext der Performance spielen.
Das Symposium fragt nach diesen Veränderungen oder Deformationen, ihrer Art und Weise, ihren Kontexten wie auch ihren künstlerischen und politischen Implikationen. Woher kommen diese niederen Wesen – Dinge, Kreaturen und ihre Chöre? Was wollen sie von uns? Wie wirken sie in der Neudefinition unserer kollektiven Existenz im 21. Jahrhundert mit? Wie verhält sich das Theater des A-Humanen zu den gegenwärtigen politischen und sozialen Problemen, etwa der Einwanderung und der parallel zu ihr sich ausweitenden Ausbreitung fundamentalistischer und neo-konservativer Einstellungen, welche heute die Bedingungen unseres Zusammenseins in einer unvorhergesehenen Weise infragestellen? In welcher Weise beziehen sich die Figur und die Fiktion des Flüchtlings auf die Grenzen, welche den Menschen vom A-Humanen trennen?
Das Denken des A-Humanen stellt eine Herausforderung für die Konzeptionen des Bewusstseins, der Subjektivität und jeder Definition des Menschlichen dar. Es stellt sich die Frage, auf welche Weise wir das A-Humane überhaupt wahrnehmen können, ohne uns unmittelbar seine Alterität wiederanzueignen? Sollte es in den Begriffen einer „Ökologie“ betrachtet werden, wie es einige neuere theoretische Ansätze vorschlagen? Und in welcher Weise wären Begriffe wie Handlung, Materie, Verkörperung, Macht und Szene zu verändern, wenn man sie nicht länger aus einer humanistischen Perspektive betrachtet? In welchem Maß können relationale Ansätze der Betrachtung von Theater und Theorie eine Antwort auf die hier aufgeworfenen Fragen geben?