Kruschkova, Krassimira – Wie zusammenkommen (in Tanz und Performance)? Choreographische Spannungen zwischen Theorie und Praxis

Vortrag vom 12.12.2017

Anhand mehrerer Choreographien des 21. Jahrhunderts sollen Probleme des Zusammenkommens, d.h. der Zusammenkunft und der Übereinkunft, der Simultaneität und der Akkumulation in Tanz und Performance untersucht und mit Bezug auf die philosophische Problematik der Gemeinschaft diskutiert werden. Kollaborationszusammenhänge werden dabei als temporäre Konstruktionen begriffen, die das Differente in künstlerischen  Arbeitsprozessen zusammenzuhalten und Anderes bzw. Andere willkommen zu heißen vermögen. Dabei ist in der paradoxen Interferenz von Parallelwelten die Uneinlösbarkeit von Gemeinschaftskonzepten ihr konstitutives Moment. Zugleich soll die Theorieaffinität der zeitgenössischen choreographischen Praxis untersucht werden. Angewandte Theorie weicht – in präziser Unschärfe – auf, was harte akademische Lehre wäre. Die heute ästhetisch wie politisch relevante Herausforderung besteht darin, das Oppositionsdenken Praxis/Theorie sowie Zugehörigkeit/Unzugehörigkeit ins Differenzdenken zu überführen.   Krassimira Kruschkova ist Theater-, Tanz- und Performancetheoretikerin. Sie lehrt an der Universität für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste in Wien und leitete von 2003 bis 2017 das Theorie- und Medienzentrum am Tanzquartier Wien.

Schulz, Anne – Jour Fixe

Barker, Hannah; Vorhaben, Jörg – Jour Fixe

Nikitin, Boris – Jour Fixe

29. November 2017, 19 Uhr
Jour fixe mit Boris Nikitin

Probebühne der Theaterwissenschaft, Campus Bockenheim

Boris Nikitin ist Theaterautor und -regisseur, Bühnenbildner, Installationskünstler und Leiter des Basler Festivals »It’s the real thing – Basler Dokumentartage«. Die meisten seiner künstlerischen Arbeiten drehen sich um die Konstruktion, Darstellung und Verdoppelung von Realität und Identität. Dabei verschiebt er die Grenzen zwischen Performance und Theater, Illusion und Dokumentarischem, offensivem Dilettantismus und schauspielerischer Virtuosität. Viele seiner Projekte spielen mit ihrer Rahmung.
Das von ihm geschriebene und inszenierte Stück, »Martin Luther Propagandastück«, wurde im März 2016 im HAU im Rahmen des Festivals „Heiner Müller!“ uraufgeführt und zum Festival »Impulse« eingeladen. In der Spielzeit 2016/17 gastierte die Produktion u.a. am Thalia Theater Hamburg. Sein Projekt „Hamlet“ mit Julia*n Meding war bisher u.a. in Basel, Paris, Athen, Mülheim, Lausanne, Madrid und Bern zu sehen, kam im Rahmen des Kongresses „Theater als Kritik“ 2016 in Frankfurt zur deutschen Erstaufführung und wurde seither an zahlreichen weiteren internationalen Stationen gezeigt. Im Jour fixe erläutert Nikitin den Studierenden der Dramaturgie und Theaterwissenschaft seine Herangehensweise an das Theater, seine Arbeit mit Schauspieler*innen und sein Konzept eines „Theaters der Verwundbarkeit“.

Amine, Khalid – Die Neu-Erfindung der Tradition im marokkanischen Theater

Auf die Al Halqa-Aufführungen in Marokko, um einen Erzähler oder Sänger herum auf den Plätzen gebildeten Versammlungen, hatten die rapiden Veränderungen seit der Kolonialzeit (1912-1956) tiefgreifende Auswirkungen. Ihre Neuerfindung im gegenwärtigen marokkanischen Theater ist durch komplexe kulturelle und ideologische Strömungen der heutigen Öffentlichkeit geprägt. Im Zuge der Verpflanzung der Techniken und der zirkulären Erscheinungsform der Al Halqa in Theaterhäuser werden existierende Dramaturgien revidiert oder genauer: neu geschrieben. Der traditionelle Erzähler wird zum Agenten der kulturellen und politischen Mobilisierung. In der Entwicklung von Tayeb Saddikis Sidi Abder-rahman Al-Majdoub (1967) zu Naima Zitans Dialy (2012) zeigt sich eine Obsession mit der Al Halqa als einem tief verankerten Performance-Paradigma in Marokko, das fortwährend umgestaltet und erneuert wird. Beginnend mit Saddiki hat die Wiederherstellung von Al Halqa dazu geführt, dass die Theaterpraxis nach der Unabhängigkeit von einem spezifischen marokkanischen Geist geprägt wurde. In Dialy werden die Strategien des Rahmens und Erzählens der Al Halqa ins Spiel gebracht, um patriarchalische Strukturen und die soziale Reproduktion von Ungleichheiten der Geschlechter über die Generationen hinweg infrage zu stellen. Angesichts der sich ausbreitenden islamischen Orthodoxie und der Gewalt gegen Frauen ist diese künstlerische Intervention an der Zeit. Keine andere Aufführung hat vergleichbare Gegenreaktionen in den marokkanischen Medien hervorgerufen. Vortrag in englischer Sprache.   Khalid Amine ist Professor für Performance Studies an der Abdelmalek Essaadi University in Tétouan, Marokko, sowie Gründungspräsident des internationalen Zentrums für Performance Studies (ICPS) in Tanger. 2007 gewann er den Helsinki-Preis der IFTR. Von 2008-10 war er Research Fellow an der FU Berlin. Zahlreiche Publikationen, u.a.: Beyond Brecht (1996), Moroccan Theatre Between East and West (2000), Dramatic Art and the Myth of Origins: Fields of Silence (2007), The Theatres of Morocco, Algeria and Tunisia: Performance Traditions of the Maghreb (2012) und The Art of Dialogue: East–West (Hg. 2014).

Roms, Heike – Ereignis und Evidenz: Eine Historio-Dramaturgie der Performance

Vortrag vom 23.05.2017

Rekonstruktionen und Reenactments vergangener Werke, Installationen von medialen Artefakten und anderen Spuren, Oral History-Zeugnisse als Material für Tanzproduktionen und spielerisch umgesetzte Archivbildungen: Die Performance-Kunst ist derzeit stark von Strategien der künstlerischen Selbsthistorisierung geprägt. Diese wirken verstärkt auch auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte: Forscher bedienen sich zunehmend performativer Verfahren, die der künstlerischen und kuratorischen Praxis entlehnt sind, um sich der Geschichte vor allem der Performance-Avantgarde der sechziger und siebziger Jahre zu nähern. Wie dargelegt werden soll, sind solche Verfahren nicht als historiografisch (also als mit dem Schreiben von Geschichte befasst) anzusehen, sondern als historio-dramaturgisch, als Weisen der performativen Hervorbringung, Inszenierung und medialen Vermittlung von geschichtlicher Evidenz. Ein solches Modell einer Historio-Dramaturgie bezieht sich auf drei Quellen: Auf Hayden Whites Vorschlag einer «Historiophoty» (1988), d.h. einer lmischen Darstellung der Geschichte analog zur schriftlichen Historiografie; auf Modelle des Ethnographen als «Ethnodramaturgen», als eine Art Produzent kultureller Szenarien, wie sie von Viktor Turner (1979) und Johannes Fabian (1999) entwickelt wurden; und auf neue Auffassungen von Dramaturgie als Praxis einer szenischen Forschung und Wissensbildung.

Dancing withy Myself – Performance/Installation/Lectures (Frankfurter Positionen)

 
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FRANKFURTER POSITIONEN 2017

Ich reloaded

Das Subjekt im digitalen Netz

FP EXTRA
PROJEKT VON STUDIERENDEN

DANCING WITH MYSELF – PERFORMANCE/INSTALLATION/LECTURES

Im Rahmen von FP EXTRA zeigen Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (Regie) sowie der Goethe-Universität (Dramaturgie und Theaterwissenschaft) Arbeiten, die sie in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Stefanie Lorey und der Dramaturgin Fanti Baum entwickelt haben.
Die Reihe FP EXTRA wird von dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt und dem Künstlerhaus Mousonturm in Kooperation mit dem Verlag der Autoren und dem S. Fischer Verlag organisiert.

Haß, Ulrike – Aischyleische Kosmologie. Zur Frage des Horizonts im Prometheus-Fragment

Vortrag vom 25.04.2017

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Prometheus zum Sinn- bild des Menschen stilisiert, der gegen die Tyrannis der Vatergötter rebelliert und als freies Wesen durch Irrtümer hindurch zu seiner Selbstverwirklichung und Vollendung voranschreitet. Diese anthropozentrische Sichtweise beruht auf erheblichen Verkürzungen des aischyleischen Fragments, das entsprechend seiner Antipoden zwei Legenden aufweist: die anthropologische Erzählung des Prometheus und die Theogonie des Zeus. Beide sind ein- gebettet in die Erzählung einer Kosmologie, die keine Leh- re wiedergibt, sondern eine kosmische Topologie entfaltet, die in sich völlig ratlos ist. Inmitten dieser Kosmologie gerät Prometheus zu einem Ereignis, das seinen Horizont de nitiv nicht in einer zu sich selbst voranschreitenden Menschheit hat.

Die Kosmologie des Aischylos räumt den materiellen Kräften einen aktiven Part ein. Sie haben am Werden der Welt teil. Sie verlangen eine andere Aufmerksamkeit dafür, wie das «Menschliche» und seine «Gegenspieler» unter- schieden oder überhaupt begri en werden könnten. Das Fragment des Aischylos führt uns mit Io oder dem Vogel- Mädchen-Chor der Okeaniden Träger dieser anderen Aufmerksamkeit vor, die Grenzgestalten des Weiblichen bilden. In ihrem Horizont zeigt sich das Menschliche als etwas, das sich unter heterogenen, belebten und vermeint- lich unbelebten Kräften und Geschöpfen vor ndet. Falls
es sich positioniert, geschieht dies unter anderen, weniger inmitten als am Rand.

Hegemann, Carl – Jour Fixe

Wie kein anderes Thema bewegte die Theaterwelt in der vergangenen Spielzeit der bevorstehende Intendantenwechsel an der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz in Berlin. Nachdem beim Jour fixe im Februar 2016 Marietta Piekenbrock die Perspektiven des Hauses unter dem neuen Intendanten Chris Dercon dargestellt hat, wird nun einer der schärfsten Kritiker der Neubesetzung, Carl Hegemann, beim Jour fixe zu Gast sein. Er ist Chefdramaturg des Hauses und prägte sein intellektuelles Profil wie sein Programm über mehrere Jahre hinweg maßgeblich mit.

Carl Hegemann studierte Philosophie, Gesellschafts- und Literaturwissenschaften in Frankfurt am Main, wo er 1979 mit einer Arbeit über Johann Gottlieb Fichte und Karl Marx promoviert wurde. Er war Dramaturg bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen (1988–89), am Stadttheater in Freiburg (1989–92), am Schauspielhaus Bochum (1995–96), am Berliner Ensemble (1996–98) und an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (1992–95, 1998–2006 und seit 2015) und am Thalia Theater Hamburg (2011-15). Bis zu seiner Emeritierung leitete er als Professor für Dramaturgie den Dramaturgiestudiengang an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. Als Dramaturg arbeitete u.a. mit Heiner Müller, Christoph Schlingensief und René Pollesch zusammen.

Beim Jour Fixe soll in offener Runde bei Brezeln, Wein und Wasser mit ihm über seinen Werdegang, seine Arbeit an den verschiedenen Theatern und natürlich über den bevorstehenden Umbruch an der Volksbühne gesprochen werden.