Als im März die Schulen aufgrund der Corona-Krise schließen mussten, standen Lehrkräfte in ganz Deutschland vor der Herausforderung, ihren Unterricht online gestalten zu müssen. In einer qualitativen Studie untersuchten Michael Eichhorn, Alexander Tillmann, Ralph Müller und Angela Rizzo, wie die Krise das Lehr- und Unterrichtshandeln der Lehrkräfte beeinflusst. Dazu führten sie schriftliche Interviews mit mehr als 60 Lehrer*innen verschiedener Schulformen aus Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz durch. Die Autor*innen entschieden sich dabei für eine praxistheoretische Perspektive, d.h. sie betrachteten das, was die Lehrkräfte tatsächlich tun, unabhängig von Strukturen und organisationalen Elementen – die in Folge der Krise ja akut aufgelöst bzw. außer Kraft gesetzt waren.
Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass die tradierten, eingeübten Lehr-Praktiken bei den befragten Lehrpersonen sehr wirkmächtig sind: Die Lehrkräfte versuchten in der Krise meistens an bewährten Unterrichtspraktiken festzuhalten und diese in der neuen Situation des digital gestützten Distanz-Lernens zu reproduzieren. Nur sehr wenige Lehrkräfte erkannten die krisenhafte Situation der Schulschließung auch als Chance, ihren Unterricht stärker an die Erfordernisse der digitalen Transformation anzupassen. Um die Corona-Krise tatsächlich zum Ausgangspunkt für Veränderungen des Lehr- und Unterrichtshandelns hin zu einem Lernen unter den Bedingungen der digitalen Transformation zu machen, bedarf es daher einer sorgfältigen Reflexion der Krisenerfahrungen.
Am 08.06. berichtete Michael Eichhorn in einem Interview auf HR-Info über die Erfahrungen der Lehrkräfte während der Corona-Krise und stellte die Ergebnisse der Studie vor. Das Interview gibt es auf der Website des HR zum Nachhören.
Die Ergebnisse der Studie werden im August auf der GMW 2020 in Winterthur vorgestellt, die Studie wird im Tagungsband veröffentlicht. Eine Pre-Print Version ist auf Researchgate sowie auf der Website von studiumdigitale veröffentlicht.