Am Rande des Sichtbaren: Theater, Philosophie, und Dramaturgien des Hörens
Dieses Seminar beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen theatraler Komposition und verbindet diese mit philosophischen Konzepten, insbesondere aus der antiken und vorsokratischen Tradition. Wie Philosophie, so ist auch Theater ein Wissen um die Welt, d.h. auch eine Art des Verhaltens und der Existenz. Diese Überlegungen auf der Konzeptionsebene werden mit der Praxis des zeitgenössischen Theaters in Verbindung gebracht. Insbesondere geht es um eine Neudefinition des Theaters als sowohl Ort des Sehens (theatron), einer Klanglandschaft (akousma) und als Ort des Sprechens (phoné). In der Analyse von Arbeiten von Romeo Castellucci /Societas Raffello Sanzio, Teatro delle Albe, Shiro Takatani, Robert Wilson, Jan Fabre und Heiner Goebbels werden wir diese Verbindungen tiefergehend untersuchen und als Beispiele einer Dramaturgie des Hörens diskutieren. Auf der zeitgenössischen Bühne entstehen Formen, Geräusche und Farben, die das Primat des Sehens in Frage stellen. Es stellt sich also die Frage, was man im Theater eigentlich sehen kann: die Offenbarung verschiedener Seinsformen könnte eine Antwort sein. Das akustische Bild ensteht nämlich als Textur einer Szene, durch die das visuelle, optische Bild überhaupt erst Gestalt annimmt. Beispiele wären hier sowohl elektronische Klanglandschaft als auch das Theater der Stimme von Carmelo Bene oder Ermanna Montanari u.a. In diesen Arbeiten wird Ton als grundlegendes Element gedacht, das die Szene strukturiert, indem es auf latente Weise die Aufmerksamkeit des Publikums fasst und die Modalitäten des Hörens neu setzt: Töne, wie Farben, repräsentieren die Temperatur einer Szene und verwandeln die Wahrnehmung des Publikums in eine Form des immersiven Erlebens. Über Atmosphäre im theatralen Sinn zu sprechen, heißt die akustischen und chromatischen Elemente zu erkennen, die die Szene mitbestimmen. Die Atmosphäre ist dabei etwas Diffuses, sowohl grundlegend als auch unsichtbar und zeit sich in Form von chromatischen Variationen, tonalen Impulsen, Licht und akustischen Figuren.