Körper, Massen, Kollektive (Seminar)

Körper, Massen, Kollektive

Ab 26. April 2019, freitags, 14-16 Uhr,IG-Farben Gebäude, Raum 1.411

Dieses Seminar untersucht die Sprache von Massenkontrolle, „Choreopolicits“ und Tanzwut, wie z.B. im Tanzwahn und anderen Formen unkontrollierter Bewegung. Wir werden hinterfragen, wie Körperkonzepte und Körperpolitiken des 19. Und 20. Jahrhunderts den sozialen Raum verändern und von sich ändernden Raumkonzepten beeinflusst werden. Was sind die choreographischen Dynamiken und Architekturen in öffentlichen und politischen Bewegungen und wie kann der choreographische Diskurs produktiv wirken, um kinästhetische Politiken und politische Philosophien von Bewegung sichtbar zu machen? Bewegung wird sowohl als organisch, natürlich und gut und als Anomalie und mutwilliges historisches Moment radikalen Wandels begriffen. Dieses Seminar fragt, wie wir eine Philosophie und choreographische Dramaturgie entwickeln können, die diese komplexen diskursiven und gestischen Herausforderungen verhandeln können. Welche Rolle spielen vitalistische und organische Philosophien dabei, natürliche körperliche und kollektive Bewegungsfiguren zu entwickeln? Die Lektüre beinhaltet Texte u.a. von Heraklit, Proudhon, Marx, Diagne, Arendt, Bergson, Manning, Moten, Sloterdijk. Ebenso findet ein intensiver praktischer Workshop mit internationalen Gästen aus der Choreographie statt, in dem wir uns mit radikalen Praktiken kollektiver Bewegung auseinandersetzen. Zu den Workshopgästen zählen Hamish McPherson (Choreograph; Großbritannien), Bogomir Doringer (Tanzkurator, Künstler und Kritiker; Österreich u. Niederlande), Jatun Risba (Performance-Künstlerin; Slovenien/Großbritannien) und Audrey Gary (Regisseurin u. Choreographin; Frankreich).

Körper/Geist-Dualismus (Seminar)

Körper/Geist-Dualismus: Unfertige Geschichtskonzeptionen des ‚Westens‘

Ab 26. April 2019, freitags, 10-12 Uhr, IG-Farben Gebäude, Raum 1.411 Welches Erbe hinterlässt der Diskurs des Körper/Geist-Dualismus in der heutigen choreographischen und dramaturgischen Praxis als auch in Tanz- und Schauspielmethoden? Diese Seminar befasst sich mit der Theorie und Ideengeschichte von Interaktionen zwischen Körper und Geist in und jenseits von Performance, insbesondere im Blickwinkel von ‚somatischen Praktiken‘, die sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts herum mit Konzepten der Spiritualität und Achtsamkeit auseinandergesetzt haben. Von Rolfing über Feldenkrais bis zu ‚Body-Mind-Centering‘ und anderen experimentellen und ‚psychosomatischen‘ Ansätzen zum Geist/Körper haben westliche Performer sich in ihren choreographischen und dramaturgischen Ideen und physiologischen Therapieansätzen damit beschäftigt, was es bedeutet, sich gesund und einsichtsvoll zu bewegen. In enger Auseinandersetzung mit experimenteller Poesie und Buddhismus (insbesondere am Naropa Institut in Colorado, USA und anderen Zentren weltweit), haben diese Kunstbewegungen und experimentellen Therapieansätze sich um post-kartesische Heilungsprozesse von Körper/Geist bemüht, die darauf ausgerichtet waren, alternative Körperkonzepte zum Individualismusprivileg des Westens zu artikulieren. Fragen von sozialer, politischer, ästhetischer und ethischem Organismus und Holismus haben eine lange Geschichte des interdisziplinären Auseinandersetzung mit Philosophie, Medizin, Theater und Tanz. Dieses Seminar wird die Genealogien dieser Dialoge beleuchten. Zudem wird ein praktischer Workshop  angeboten, in dem die Teilnehmer*innen eingeladen sind, mit einigen der Traditionen von anantomischer und somatischer Praxis und ihren alternativen Körperkonzeptionen zu experimentieren.

Performance Theorie (Seminar)

Performance Theorie: Kritische Konzepte

Ab 25. April 2019 donnerstags, 16-18 Uhr, IG-Farben Gebäude, Raum 1.411

Seit den 1950er Jahren beschreibt ‘Performance’ menschliches Verhalten und Kunstwerke, die sich „zwischen Theater und Anthropologie“ situieren lassen, wie Richard Schechner und Victor Turner, zwei der Mitbegründer des Fachs der Performance Studies, es formulieren. Alternative Genealogien des Fachs platzieren Performance im Kontext der Redekunst, Rhetorik und des Sprechens. Wie können wir Performance heute konzeptualisieren, da der Performance Begriff sich weltweit ausgebreitet hat und der ‚performative turn‘ von anderen Disziplinen in den Geistes- und Sozialwissenschaften aufgegriffen wird? Wie läßt sich der Begriff selbst übersetzen und welche Herausforderungen eines globalisierten Faches lassen sich eruieren, wenn die Idee der Übersetzung mit ins Spiel kommt? Ist Performance dasselbe wie Performance Art oder Aktivismus? Ist Performance prinzipiell politisch und widersetzt sich der vermeintlichen Hegemonie staatlicher Theaterinstitutionen, wie es einige Theoretiker des Fachs formuliert haben, oder sollte man die Idee der Performance im Kontext gesellschaftlicher Imperative „zu funktionieren“ verstehen, wie andere es ausgedrückt haben? Die Ambivalenz des Begriffs lässt einen innehalten und lädt ein zum weiteren Nachforschen über die komplexen Wegen, durch die der Performance Diskurs selbst gezwungen ist, international und transkulturell zu funktionieren. Die Studierenden werden sich mit bekannten und weniger bekannten theoretischen Ansätzen zur Performance auseinandersetzen; auch wird eine Minikonferenz mit Kurzpräsentationen zum historischen und kritischen Kontext des Performance-Begriffs stattfinden.

Tanzende Massen (Diskussion)

Am Freitag, 14. Juni 2019, 18:30 Uhr organisiert Prof. Dr. Gotman zudem eine Diskussionsrunde mit ausgewählten europäischen Choreograph*innen und Künstler*innen, die sich mit folgendem Thema auseinandersetzen werden: 

Tanzende Massen: Wahn, Ekstase, Kollektivität 

Im Rahmen des F°LAB Festivals for Performing Arts 2019.

Beitragende: Kélina Gotman (Theater- und Tanzwissenschaftlerin, UK), Hamish McPherson (Choreograph und Tanzwissenschaftler, Großbritannien); Bogomir Doringer (Filmemacher und Kurator; Niederlande/Österreich); Jatun Risba (Performance Artist; Slovenien/Großbritannien); Audrey Gary (Regisseurin und Choreographin, Frankreich)

Gegenstand der Diskussion ist der revoltierende tanzende Körper. Ob in neo-schamanischen Ansätzen zeitgenössischer Choreographie oder in Akten radikaler Selbstheilung, in choreographischen Politiken der Sorge oder unerbittlichen Tanzparties, Körper in Bewegung signalisieren Ruhelosigkeit und die Möglichkeit lebendiger Transformation. Doch was ist ein Körper, der protestiert?  Es soll der Frage nachgegangen werden, wie Künstler*innen und Theoretiker*innen sich Gesten des Aufbegehrens angeeignet haben, um alternative Vorstellungen von Kollektivität und Selbstorganisation zu entwickeln. Gleichzeitig wird die Brücke geschlagen vom protestierenden Körper in der Kunst zu dessen Rolle in der politischen Gemeinschaft, um zu erörtern, wie sich über alternative Formen von Körperlichkeit auch der Staatskörper neu denken lässt. 

Veranstaltungsort ist das Frankfurt LAB, Schmidtstr. 12, 60326 Frankfurt/Main

Choreographie als Denken von Freizügigkeit (Antrittsvorlesung)

Am Dienstag, den 4. Juni 2019, 18 Uhr wird die Hölderlin Gastprofessorin für Allgemeine und Vergleichende Dramaturgie, Prof. Dr.  Kélina Gotman (King’s College London), ihre Antrittsvorlesung halten. Thema ist:

Choreographie als Denken von Freizügigkeit. Eine kritische Genealogie.

In Anlehnung an Edward W. Saids kritisches Konzept einer „imaginierten Geographie“ von „Orient“ und „Okzident“ wird dieser Vortrag die Idee einer „choreographischen Vorstellungswelt“ entwickeln, um zu erörtern, wie Bewegung, Freizügigkeit und Zeitlichkeit im Austausch miteinander stehen. Gezeigt werden soll, dass Formen von Bewegung in kritischen und wissenschaftlichen Diskursen eine wichtige Rolle spielen, sei es in medizinischen Studien zum arbeitenden Körpers oder Untersuchungen mentaler Erschöpfung, die nachzeichnen, durch welche Zwänge die Moderne unsere körperliche Existenz geformt und auch verformt hat. Gleichzeitig zeigt der drastische Anstieg von verschiedenen ‚Geist/Körper‘-Praktiken, die „altertümliches Heilungswissen“ reaktivieren wollen, dass Bewegung benutzt wird, um zu grundlegenden Formen des Wohlbefindens zurückzufinden. Diese Choreographien lassen sich als Knotenpunkt zwischen Tanzwissenschaft, den Naturwissenschaften und Philosophien der Sorge verstehen. In einer Zeit, in der Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit politisch umkämpft sind, scheint es daher unerlässlich, kritische Genealogien zu verfolgen, durch die das „Sich-frei-bewegen“ imaginiert worden ist. Die Art und Weise, wie der postkoloniale Westen diese Arten von Bewegung weiterhin in den Osten projiziert, ist Teil dieser Geschichte.

Veranstaltungsort ist das Institut für Theater-, Film-, und Medienwissenschaften der Goethe Universität Frankfurt (1. Stock des IG-Farben Gebäudes, Raum 1.411).