Jg. 46, H. 2 – Themenheft: Biodiversität, hg. von Roland Borgards. Mit Beiträgen von Lena Kugler, Tanja van Hoorn, Evi Zemanek, Urte Stobbe und Lars Friedrich

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Inhaltsverzeichnis

Roland Borgards
Vorwort, S. 111

Lena Kugler
Bio/Diversität als Theater. Kim de l’Horizons „Dann mach doch Limonade, bitch. Pieces aus dem Schlurz“ (2022) und die Volksherrschaft im Garten_Berlin, S. 115

Abstract
Dass Biodiversität nicht nur ermöglicht, sondern auch erzählt werden muss, scheint gegenwärtig Konsens zu sein. Was aber, wenn ‚Biodiversität‘ weniger als Erzählung, sondern vielmehr als Theater erscheint – beispielsweise als regelrechte Survivalshow? In der Auseinandersetzung mit Kim de l’Horizons Dann mach doch Limonade, bitch. Pieces aus dem Schlurz (2022), dem Diskurs der biologischen Invasion und der repräsentativen Organismendemokratie der Volksherrschaft im Garten (Berlin) geht der Text den unterschiedlichen Erscheinungsformen bio/diverser Theatralitäten nach.

Tanja van Hoorn
„stellt euch vor“.  Artenvielfalt und Artensterben bei Jan Wagner („franz de hamilton: konzert der vögel“ und „das verschwinden des riesenalks“), S. 131

Abstract
Artenvielfalt gestaltet Jan Wagner als ein ekphrastisch inspiriertes Heraufbeschwören schöner Mannigfaltigkeit („franz de hamilton: konzert der vögel“); Artensterben als das Verschwinden eines Endlings im Abendrot („das verschwinden des riesenalks“). In beiden Gedichten sind Tiere nur (noch) imaginär erreichbar und werden betont anthropozentrisch dargestellt. Die Gedichte unterscheiden sich hinsichtlich zentraler Darstellungsverfahren (katalogartige Parataxen für die Vielfalt, Narration eines Artschicksals im Fall des Aussterbens); gleichermaßen aber wird in ihnen das Lynchen eines Vogels bzw. der zum Erlöschen einer ganzen Art führende Massenmord gespiegelt in der abergläubischen Ideologiebildung der Menschen. Kaum zufällig scheinen die beiden Gedichte daher in den inhaltlich und rhythmisch ähnlichen Abschlussformeln („ein pamphlet“ / „ein gerücht“) echoartig aufeinander zu antworten.

Evi Zemanek
Die literarische Inventarisierung der Flora und Fauna Spitzbergens oder enumeratio delectat, S. 145

Abstract
Der Beitrag untersucht literarische Bestandsaufnahmen von Artenvielfalt in Flora und Fauna auf Spitzbergen. Verglichen und mit älteren Expeditionsberichten korreliert werden Alfred Anderschs ästhetischer Reisebericht Hohe Breitengrade oder Nachrichten von der Grenze (1969) und Ulrike Draesners poetischer Essay „Radio Silence“ (2019) sowie Christoph Ransmayrs postmoderner Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984) und Martin Mosebachs pikaresker Roman Nebelfürst (2001). Gemeinsam ist den faktualen und fiktionalen Texten genreübergreifend, dass sie auf die Wahrnehmung einer relativ geringen Artenvielfalt reagieren, indem sie Leere evozieren und diese narrativ und deskriptiv, imaginativ und (auto-)reflexiv füllen. Auf eine anfängliche Desillusionierung folgt prozessual eine Schulung der Sinne und die Entdeckung einer unscheinbaren Vielfalt. Im Fokus stehen wissenschaftliche und poetische taxonomische Verfahren, insbesondere die Bestandsaufnahme ex negativo und die Kompensation verlorener Artenvielfalt durch Imagination urzeitlicher Biodiversität.

Urte Stobbe
Sarah Kirschs experimenteller Kurzfilm Moorschnucken. Ein multimodales Prosagedicht über Schafe, „die uns verlassen werden in aller Schönheit und Fremdheit“, S. 161

Abstract
Mit ihrem Kurzfilm Moorschnucken (1983/84) folgt Sarah Kirsch der Einladung des Autorenmagazins im Fernsehsender Saarländischer Rundfunk, ein experimentelles Filmprojekt zu den Grenzen und Möglichkeiten des Mediums Film beizutragen. Sarah Kirschs Film handelt von einer Herde Moorschnucken, die durch die geänderten Wirtschaftsformen vom Aussterben bedroht sind. Ihr Verlust käme einer Verringerung der Biodiversität gleich, doch hebt der Film besonders auf die Schönheit dieser Schafe ab. Sarah Kirsch spricht dazu ein von ihr selbst verfasstes Prosagedicht ein, dessen Inhalt im Film symmetrisch, komplementär und kontrapunktisch zu den audiovisuellen Zeichen in Beziehung steht – daher die Bezeichnung ‚multimodales Prosagedicht‘. Moorschnucken zeigt die Schafe so, als würden sie durch ihr tierliches Verhalten gewissermaßen für sich selbst sprechen und als Akteure mitspielen. Zu dieser filmischen Inszenierung hat auch beigetragen, dass Sarah Kirsch in den Monaten zuvor begonnen hat, selbst Schafe in Tielenhemme zu halten. Anders als der Film, der Moorschnucken mit einem Schäfer und Hütehunden zeigt, praktiziert sie selbst neue Formen des Mit-seins mit Schafen. Sie experimentiert gewissermaßen mit neuen Formen der Mensch-Schaf-Beziehungen.

Lars Friedrich
Versifizierung als Diversifizierung. Arno Holz’ Phantasus und die Naturformen der Lyrik, S. 179

Abstract
Auf der Grundlage eines positivistischen Wissenschaftsverständnisses entwickelt Arno Holz Ende des 19. Jahrhunderts eine Lyriktheorie ‚natürlicher Rhythmen‘, die auf Metrum, Strophen und Reim verzichten und deren unregelmäßige Versstruktur in seinem Phantasus-Zyklus ihre poetische Umsetzung erfahren. An den Umarbeitungsstufen bzw. Erweiterungsstrategien einzelner Phantasus-Gedichte wird gezeigt, wie Holz Erfahrungen entgrenzter Natur- und Sprachvielfalt abzubilden versucht und seine Lyrik formpoetologisch als Applikation einer Diversitätsprogrammatik gelesen werden kann.

Jg. 46, H. 1 – Themenheft: Lesen (in) der Epidemie, hg. von Martina Wagner-Egelhaaf. Mit Beiträgen von Pia Doering, Martina Wagner-Egelhaaf, Nikola Roßbach, Florian Klaeger, Isabelle Stauffer, Christine Huck, Silke Horstkotte und Irene Husser

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Inhaltsverzeichnis

Martina Wagner-Egelhaaf
Einführung: Lesen (in) der Pandemie, S. 1

Abstract
Der Ausbruch der SARS-Cov-2-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundenen einschneidenden Erfahrungen für die Menschen auf der ganzen Welt haben die Klassiker der Seuchenliteratur wieder aktuell werden lassen. Gleichzeitig entstanden zahlreiche Leseprojekte. Und natürlich wurden auch viele neue Texte zum Thema ,Corona‘ oder ,Epidemie‘ publiziert. Die Einleitung führt in das Themenheft „Lesen (in) der Pandemie“ ein, das sich der Rolle des Lesens und der Literatur in Zeiten von Epidemien widmet, und gibt einen Ausblick auf die versammelten Beiträge.

Pia Doering / Martina Wagner-Egelhaaf
Lektüre in Zeiten von Pest und Corona: das Beispiel des Decameron, S. 9

Abstract
Giovanni Boccaccios Decameron gehört zu den Klassikern der Seuchenliteratur und wurde in der zurückliegenden Corona-Pandemie wieder zur gefragten Lektüre. Die Pestepidemie, die den Ausgangspunkt und Erzählanlass des Decameron bildet, bietet Boccaccio die Möglichkeit, auf den unterschiedlichen Ebenen seiner Novellensammlung ein Plädoyer für die Literatur zu entfalten. Dabei akzentuiert er zum einen die Vorzüge der Literatur gegenüber den gelehrten Diskursen der Theologie und Philosophie. Zum anderen hebt er den Trost hervor, den Lektüre spenden kann, wenn dem Menschen andere Formen geselliger Unterhaltung etwa aufgrund einer Seuche verwehrt sind. Dass weltliche Literatur zu Erbauung und moralischer Unterweisung geeignet ist, setzt eine verantwortungsvolle Rezeption voraus, für die die Erzählergemeinschaft des Decameron als Modell fungiert. Als Corona die Möglichkeiten des sozialen Miteinanders einschränkte, griffen die Menschen wieder zum Decameron, das zudem zum Anlass neuer Leseprojekte wurde.

Nikola Roßbach
Loimologia. Literatur der Krise am Beispiel von Magdeburger Pestschriften von 1681/82, S. 25

Abstract
Krisen, auch epidemische, generieren Texte, beschwören Textproduktion herauf. In der von der Pest geprägten Frühen Neuzeit wird zum einen das Lesen selbst epidemisch, zum anderen entsteht eine Vielfalt neuer, epidemiebezogener Texte und Textgattungen. Der vorliegende Beitrag nimmt die unter den Begriff der ‚Loimologia‘
gefassten frühneuzeitlichen Pestschriften am exemplarischen Fall Magdeburgs in den Jahren 1681/82 in den Blick. An Mahnpredigt und Trostschrift, Anordnung und Verzeichnis überprüft er textliche Ziele, Funktionen und Strategien und kann ein breites Spektrum von Mustern geistlicher und weltlicher Pestbewältigung beobachten, in denen religiöse und weltliche Argumentationsmuster diskursiv verwoben sind und quer durch die Textsorten laufen. Dabei stehen physisch-medizinische Ziele wie körperliches Überleben neben psychisch-mentalen Zielen wie seelisches Überleben und Sinnerhalt. Strategien wie mahnender Moralappell werden ebenso eingesetzt wie intellektueller und emotionaler Trost.

Florian Klaeger
Quarantines: Framing Romantic Narratives of Extinction and Epidemic Experience, S. 43

Abstract
The essay situates Romantic representations of epidemics in the context of ‘last man narratives’ in vogue around 1800. It focuses on their shared use of ‘framings’ of the sort familiar from the works of Caspar David Friedrich, the Rückenfigur. Through this device, the unthinkable is captured and ‘reined in’, as the focus is directed away from the subject itself and towards its human observer. Such framings are employed, in very different fashion, in the two texts discussed centrally: Mary Shelley’s 1826 novel The Last Man and Heinrich Heine’s 1831 letters in Französische Zustände. The framings in these narratives of epidemics are compared to those in narratives of human extinction, including the 1777 cantata by Johann Jakob Walder and Leonhard Meister, Der lezte Mensch; Jean Paul’s “Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei”; and Jean-Baptiste Cousin de Grainville’s novel Le Dernier Homme (1805).

Isabelle Stauffer
Lesen über Epidemie, Despotie und Rassismus bei Friedrich Dürrenmatt, S. 61

Abstract
Friedrich Dürrenmatts Erzählung Die Virusepidemie in Südafrika (1989) erscheint vor dem Hintergrund der Coronapandemie hochaktuell. In der Erzählung wird geschildert, wie in Südafrika eine seltsame Epidemie ausbricht, durch die weiße Menschen schwarz werden. Damit wird die herrschende Apartheid hinfällig und der staatlich gestützte Rassismus bricht zusammen. Die Erzählung zeigt den Zusammenhang von Epidemien mit staatlicher Gewalt und Rassismus. Der Beitrag untersucht, wie Dürrenmatts Erzählung angesichts der Erfahrung mit der Corona-Pandemie von 2020–2023 auf narrative Verflechtungen von Epidemie, Despotie und Rassismus gelesen werden kann.

Cristine Huck
„Ein klares Bild der Lage“– Literatur als Krisenbewältigung am Beispiel von Lola Randls Coronaroman Die Krone der Schöpfung, S. 71

Abstract
Dieser Beitrag befasst sich mit der Darstellung der Coronapandemie in Lola Randls Roman Die Krone der Schöpfung. Der Fokus liegt auf der Schreibweise des Coronaromans, auf thematischen Schwerpunkten in der Darstellung der Pandemie und auf der spezifischen Perspektive der Erzählerin. In Anknüpfung an Bruno Latours Konzept des Faitiche soll das Zusammenspiel von Pandemiewissen und Quarantänediaristik nachvollzogen werden. Weiter soll die Praxis des Lesens in der Erfahrung von Krisensituationen wie der Coronapandemie herausgestellt werden – einerseits hinsichtlich der Leseszenen innerhalb des Textes und anderseits in Bezug auf die Rezeption des Romans durch seine Leser:innen.

Silke Horstkotte
Long Covid-Literatur: Pandemisches Erzählen bei Katharina Hacker und Mareike Fallwickl, S. 81

Abstract
Mit Die Gäste (2022) von Katharina Hacker und Die Wut, die bleibt (2022) von Mareike Fallwickl stehen zwei Romane im Zentrum des Beitrags, die in späteren Phasen der Corona-Pandemie spielen. Sie nehmen den langen Verlauf der Pandemie und deren Langzeitfolgen für die Gesellschaft in den Blick, etwa den Burnout von Müttern, die im Lockdown allein gelassen wurden, wirtschaftliche Folgen für die Gastronomie sowie allgemein neue Verhaltensnormen. Die beiden Romane präsentieren ihre jeweilige Corona-Analyse mit erzählerisch sehr unterschiedlichen Mitteln: Hacker im Modus der literarischen Fantastik und stark verfremdend, Fallwickl realistisch und polyperspektivisch über Frauen aus zwei Generationen. Der Beitrag untersucht diese unterschiedlichen Weisen, Lesende anzusprechen.

Irene Husser
„wütend sind derzeit alle“ – Verschwörungserzählungen und Medienkritik
in Elfriede Jelineks Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen! (2021)
, S. 99

Abstract
Der Beitrag untersucht Elfriede Jelineks Auseinandersetzung mit den medialen Corona-Diskursen, vor allem des konspirativen Typus, in ihrem Stück Lärm. Blindes sehen. Blinde sehen! (2021). Es soll gezeigt werden, dass in Jelineks Theatertext zum einen nach den Ursachen für die Konjunktur von Verschwörungserzählungen gefragt und dabei eine epistemische Verunsicherung ausgemacht wird, zum anderen die Möglichkeiten literarischen Engagements im Umgang mit postfaktischen Populismen ergründet werden. Dabei bringt der Text (historische) Abgrenzungsschwierigkeiten der Literatur gegenüber konspirativer Rede zum Ausdruck, um diese auf die Ästhetik der Geheimnislosigkeit sowie die Kritik an den medialen Bedingungen des Pandemie-Diskurses zu verpflichten.

Jg. 45 – H. 1-2 – Themenheft: Kunst in E.T.A. Hoffmann – E.T.A. Hoffmann in der Kunst. Intermediale Aspekte seines Werkes und Wirkens, hg. von Ricarda Schmidt und Sheila Dickson. Mit Beiträgen von Ricarda Schmidt, Frederike Middelhoff, Laura Vordermayer, Christian Quintes, Polly Dickson, Monika Schmitz-Emans und Sheila Dickson

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Inhaltsverzeichnis

Ricarda Schmidt
Einleitung, S. 1

Ricarda Schmidt
Von Callot bis Kolbe. Zur Heterogenität von E.T.A. Hoffmanns ästhetischen Bezugspunkten in der visuellen Kunst, S. 13

Abstract
Der Aufsatz untersucht Hoffmanns literarischen Bezug auf unterschiedliche historische Maler und Grafiker: Jacques Callot, Johann Erdmann Hummel, Raphael, Salvator Rosa und Carl Wilhelm Kolbe. Es wird gezeigt, dass die Rezeption dieser Künstler sich in Hoffmanns Werk überlagert. Daraus ist zu schließen, dass Hoffmann in ihnen diverse Facetten seines eigenen künstlerischen Temperaments reflektiert: nämlich Sehnsucht nach Transzendenz, Harmonie, Einfachheit (Raphael); Faszination von der Fülle des Lebens, der Struktur im scheinbaren Chaos, dem Fantastischen und Komischen (Callot); die Erhabenheit der Natur als Szenerie für Unheimliches und Bedrohliches (Rosa). Diese ästhetischen Tendenzen gehen in Hoffmanns literarischem Schaffen eine Symbiose ein, die in verschiedenen Werken jeweils unterschiedlich gewichtet sind. Hummel und Kolbe dagegen wirkten nicht primär in ihrer eigenen Ästhetik auf Hoffmann, sondern dienten ihm zum Medium, um seine Kunsterfahrung auf ihre Werke zu projizieren.

Frederike Middelhoff
Hoffmann und die Kunst (nach) der Natur, S. 25

Abstract
Der Beitrag untersucht Hoffmanns literarische Auseinandersetzungen mit den ästhetischen Modellierungen und impliziten Naturkonzepten der Landschaftsmalerei um 1800. Hoffmann, so die Grundannahme des Artikels, arbeitet sich in verschiedenen Texten an den Möglichkeiten und Grenzen einer künstlerischen Ästhetik ab, die ‚Natur‘ nicht nur abbilden, sondern romantisch transformieren und als genuin ‚lebendig‘ bzw. selbst schöpferisch tätig vor Augen stellen will, sich aber gleichzeitig von einer allegorischen Idealisierung oder naiven Abbildungslogik des Landschaftlichen zu distanzieren versucht. In seinen Erzählungen lotet Hoffmann die unterschiedlichen Maximen und Verfahren der Landschaftskunst aus, indem er seine Figuren die Kunst, ‚nach der Natur‘ zu malen, kommentieren oder sie selbst Landschaften via Sprache oder Malerei inszenieren lässt. Auf diese Weise werden in Hoffmanns Erzähltexten klassizistische und romantische Ideale der Landschaftskunst voneinander abgegrenzt.

Laura Vordermayer
Karikatur als Kunstgenre und Darstellungstechnik: E.T.A. Hoffmanns zeichnerische und literarische Karikaturen, S. 43

Abstract
August Wilhelm Schlegel beschreibt die Karikatur in seiner Kunstlehre (1884) als „Spiel“, in dem sich die „Unbändigkeit der Phantasie […] Luft macht“. Die zentrale Dynamik der Karikatur besteht in einem Zusammenspiel von Wiedererkennbarkeit und Fiktionalität, das E.T.A. Hoffmann auf vielfältige Weise fruchtbar macht und das sich je nach Medium unterschiedlich gestaltet. In meinem Beitrag untersuche ich sowohl zeichnerische als auch literarische Karikaturen, wobei ich im Besonderen auf die Texte Das steinerne Herz (1817) und Die Brautwahl (1819) eingehe. In der medienübergreifenden Analyse wird deutlich, welches Potential ein geschärfter Karikaturbegriff auch für die Textinterpretation haben kann.

Christian Quintes
„Jüngling, aus dir hätte viel werden können“. Künstlerfiguren und Kunsttheorie in E.T.A. Hoffmanns Werk, S. 61

Abstract
E.T.A. Hoffmann entwirft, so meine zentrale These, eine dreistufige Theorie der Produktion von Kunst, welche erstmals im Ritter Gluck erläutert und in der Jesuiterkirche in G. erneut herangezogen sowie in anderen Werken Hoffmanns nutzbar gemacht wird, um zu verdeutlichen, wie wahrhafte Kunst entsteht. Die drei Stufen der Theorie, erstens Erwerb grundlegender künstlerischer Fähigkeiten, zweitens träumerischer Spannungszustand (in Anlehnung an das Traumverständnis der romantischen Anthropologie) und drittens künstlerische Erhebung, nehmen dabei
indirekt Bezug auf Schellings Ästhetiktheorie, die er im System des transzendentalen Idealismus formulierte. Ich verdeutliche, quasi im Sinne eines wissenspoetischen Ansatzes, wie das frühromantische Wissen über Ästhetik sich bei Hoffmann literarisch niederschlägt und gehe abschließend darauf ein, wie dieser sich innerhalb der romantischen Genie-Debatte positioniert.

Polly Dickson
Hoffmann’s Signature Doodles, S. 77

Abstract
As scholars familiar with his manuscripts and drawings will know, E.T.A. Hoffmann had the idiosyncratic and rather charming habit of signing off some of his informal letters not with a signature in the conventional sense, but with a spontaneous self-portrait: a doodle. The aim of this article is to examine such forms by framing them within the context of a broader question about Hoffmann’s doodles and drawings. Specifically, it places his ‘signature doodles’ at the centre of a graphic conversation between the contingencies of the medium and an impulse towards meaningful form. It is in that sense that they open up a space for new reflections on the author’s relationship to writing and drawing, registering a vision of the author not as an authorizing or authoritative entity, held above and separate from the work, but rather as a peculiar entanglement of self and work, whose identity is defined and confirmed from within the act of composition.

Monika Schmitz-Emans
Gezeichnetes Theater, gezeichnete Imaginationen: Comics und Graphic Novels zu Texten E.T.A. Hoffmanns, S. 93

Abstracts
Texte von E.T.A. Hoffmann dienten oft als Vorlage zu Comics und Graphic Novels. Der Beitrag stellt verschiedene Beispiele vor: mehrere grafisch-narrative Adaptionen zum Sandmann, aber auch zu Das öde Haus, Das Fräulein von Scuderi, Nußknacker und Mausekönig. Hinsichtlich ihrer Text- und Bildregie jeweils eigene Wege gehend, bieten die Comics und Graphic Novels Beispiele für das breite Spektrum möglicher visuell-grafischer Interpretationen der Texte. Leitend sind dabei mehrere Fragen: Wie wird die Fabel re-inszeniert; welche grafischen und textgrafischen Inszenierungsmittel erscheinen als besonders charakteristisch? Inwiefern kommen Hoffmanns Texte einer visuellen Inszenierung entgegen? Welche Rolle spielt die bei Hoffmann elaborierte Motivik rund um Sehprozesse, Augen, Blicke und Bilder für die Gestaltung von Graphic Novels? Inwiefern gehen Impulse von Hoffmanns Poetik des
lebendigen Bildes und des Theaters aus? Inwiefern visualisieren die Bilderzählungen ein Spiel der Imagination?

Sheila Dickson
Stephan Klenner-Otto’s E.T.A. Hoffmann Illustrations, S. 113

Abstract
With his illustrations for E.T.A. Hoffmann’s Rat Krespel and Der Sandmann, the German artist Stephan Klenner-Otto enters into a creative dialogue which combines the writer’s fantastic juxtapositions of the everyday and the supernatural with the artist’s surrealist intertwining of the realistic, the quirky and the grotesque. The latter’s selfirony amplifies the former’s satire, expressing the kinship that forms the basis of Klenner-Otto’s engagement with Hoffmann and his characters. From this 21st-century vantage point, the illustrator redefines the youthful hero and the beautiful heroine as middle aged and unprepossessing, the eccentric artist as disturbingly non-human, and the threatening ‘supernatural’ figure as a baleful member of the ‘real’ world. Klenner-Otto pays homage to Hoffmann through the intensely personal interpretation of his tales.

Jg. 44, H. 2 – Themenheft: Verbriefte Frühromantik, weiblich gewendet, hg. von Frederike Middelhoff. Mit Beiträgen von Nicholas Saul, Alexander Knopf, Yvonne Al-Taie, Cosima Jungk, Antonia Villinger und Claudia Bamberg

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Inhaltverzeichnis

Frederike Middelhoff
Editorial: Verbriefte Frühromantik, weiblich gewendet. Korrespondentinnen im Gespräch
mit Friedrich Schlegel und Friedrich von Hardenberg
, S. 105-111

Nicholas Saul
„Die Frau des gebildeten Standes, ist der Ungebildete“. Zum Verhältnis von Weiblichkeit
und Sprache im Briefwechsel zwischen Friedrich von Hardenbergs und Caroline Schlegel
, S. 113-123

Abstract
Die Frühromantiker haben sich in der unmittelbar postrevolutionären Epoche redlich um die Gleichstellung der Frau bemüht, speziell um die Autonomie und Leistungskraft der Frau als gleichberechtigter Akteurin in der Sphäre der Öffentlichkeit. Im Folgenden wird unter diesem Blickpunkt die utopische Korrespondenz zwischen Friedrich von Hardenberg und Caroline Michaelis-Böhmer-Schlegel-Schelling untersucht. Nach einer kurzen Darstellung der Zusammenarbeit Caroline Schlegels mit den Brüdern Schlegel wird im Kontext der bevorstehenden, noch geheimen Verlobung Hardenbergs mit Julie von Charpentier Hardenbergs vitalistisch-kreativ orientierte Rhetorik in den Briefen zum Thema Utopie in Ehe und Staat analysiert und in Bezug zu Judith Butlers Gender-Theorie gesetzt.

Alexander Knopf
Am Rande des Gesprächs. Untersuchungen zur epistolaren Kommunikation im Schlegel-Kreis (Friedrich Schlegel, Caroline Schlegel, Friedrich von Hardenberg/Novalis, Dorothea Veit), S. 125-139

Abstract
Der Beitrag untersucht an einer Auswahl von Briefen aus dem Schlegel-Kreis, inwiefern die von Luhmann untersuchte Codierung von Intimität (Liebe) sich auf andere soziale Beziehungen übertragen lässt. Unterstellt wird dabei, dass die unwahrscheinliche Kommunikation, der laut Luhmann im Fall der Liebe ein symbolisch generiertes Kommunikationsmedium zum Erfolg verhelfen soll, gerade für die Frühromantiker:innen ein allgemeines Problem darstellte. Auf dieses Problem wurde mit der Entwicklung komplexer kommunikativer Strategien reagiert. Das zeigt sich an Briefen – als Zeugnissen höchstpersönlicher, aber nicht zwangsläufig intimer Kommunikation – besonders deutlich. Die rhetorischen, stilistischen, theoretischen und metasprachlichen Merkmale, die in diesem Aufsatz zusammengetragen und systematisch differenziert werden, geben zu erkennen, dass sich in diesen Briefen ein Metadiskurs herausbildet, der die Funktion hat, Kommunikationsschwellen sichtbar zu machen. Insofern liefert der Beitrag Anhaltspunkte für die Existenz eines Codes, der – diesseits des Sonderfalls Liebe – auch andere höchstpersönliche Beziehungen (freundschaftlich, verwandtschaftlich etc.) determiniert und reguliert.

Yvonne Al-Taie
Der Brief als soziales Medium. Körperlichkeit, gegenwärtiges Erleben
und epistolare Vermittlung in den Briefen des Grüninger Kreises an Novalis
, S. 141-159

Abstract
Der Beitrag liest die Briefe der Korrespondentinnen des Grüninger Kreises – Jeannette Danscour, Friederike von Mandelsloh, Caroline von Kühn, Sophie von Kühn – an Friedrich von Hardenberg aus einer praxeologischen Perspektive und fragt danach, wie sich diskursive, soziale und materiale Praktiken in den Briefen spiegeln, die sich als Versuche körperlich-räumlicher Distanzüberwindung darbieten. Drei Aspekte werden dabei unterschieden und näher untersucht: Die Situierung des Schreibens in der Bezugnahme auf Schreiborte und Schreibgegenwarten (1), Formen und Funktionen kollaborativen Schreibens (2) und die Simulation körperlicher Nähe in Gesten der Stellvertretung und durch materielle Briefbeigaben (3). Dabei erweist sich der Brief als soziales Medium, das Konfigurationen verbaler und non-verbaler Distanzkommunikation ausbildet, die sich unter technisch veränderten Vorzeichen in ähnlicher Weise in den Sozialen Medien der digitalen Gegenwart wiederfinden.

Cosima Jungk
„Fühlen ist gewiß mehr als Sehen“ – Formen und Funktionen der Intimität in den Briefen
von Friedrich Schlegel und Dorothea Veit an Karoline Paulus und Rahel Levin
, S. 161-175

Abstract
Am Beispiel der Korrespondenzen Friedrich Schlegels und Dorothea Veits mit Karoline Paulus werden Formen und Funktionen der Intimität in der Briefkommunikation untersucht. Friedrich Schlegel umwarb Karoline Paulus mit Billets, die er als intellektuelle Spielform und Türöffner nutzte. Dorothea Veit fand in Karoline Paulus gleichzeitig eine Vertraute. Die Dreiecksbeziehung erhielt neben der emotionalen, auch gleichzeitig eine taktische Bedeutung. Für das Paar stand gesellschaftlicher Anschluss in Jena im Mittelpunkt. Friedrich Schlegels frühe Briefe an Rahel Levin haben einen deutlich anderen Charakter. Während es Schlegel in seinen Schreiben an Karoline Paulus auch um ein Spiel mit der körperlichen Anziehung ging, ersetzte Rahel Levin als kluge und selbstbewusste Briefpartnerin die
mittlerweile entfremdete Schwägerin Karoline Schlegel. Deutlich werden unterschiedliche Formen und Funktionen epistolar inszenierter Intimität, die Aufschluss über die Komplexität der Regulierung von Nähe und Distanz liefern.

Antonia Villinger
Dorothea Schlegel als Reiseliteratin. Briefe aus Italien im Mai 1818 an Friedrich Schlegel, S. 177-192

Abstract
Von ihrer Reise nach und durch Italien berichtet Dorothea Schlegel dem in Frankfurt verbleibenden Friedrich Schlegel in verschiedenen Briefen im Mai 1818. In den Briefen aus Mailand beschreibt sie ausführlich ihre Eindrücke
und Erlebnisse; dabei nimmt Napoleons Einfluss auf die Landschaft, Kultur und Architektur Italiens eine besondere Stellung ein. Italien wird von Schlegel zwar als romantischer Sehnsuchtsort präsentiert, dient aber auch als Aushandlungsort, um die eigene politische, religiöse und gesellschaftliche Position zu reevaluieren und zu festigen. In den Briefen entwickelt Schlegel ihre eigene Perspektive auf Italien, die im Rahmen des Artikels im Anschluss an Forschungsbeiträge zur Gattung der Reiseliteratur als Reisebriefe perspektiviert werden. Die Art und Weise, wie sie
sich das Land über eine Verbindung von Kunst, Religion, Identität, Herkunft und Politik erschreibt, rückt Dorothea Schlegel in der Rolle einer Reiseschriftstellerin in den Blick.

Claudia Bamberg
Mein „Sorgenkind“ – mein „geliebter Bruder“: Friedrich Schlegel in den Briefen der Schwestern Charlotte und Henriette Ernst sowie der Mutter Johanna Christiane Erdmuthe Schlegel, S. 193-208

Abstract
Die Korrespondenzen aus dem weiblichen familiären Umfeld der Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel sind bislang kaum beachtet worden; gemeint sind die Briefe der Schwestern Charlotte (1759–1826) und Henriette (1761–1801) Schlegel sowie der Mutter Johanna Christiane Erdmuthe Schlegel (1735–1811) an August Wilhelm Schlegel. Die 168 Schreiben, die überwiegend erstmals in der Digitalen Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels veröffentlicht wurden, kommentieren vielstimmig den persönlichen und künstlerischen Entwicklungsgang
Friedrich Schlegels und eröffnen so auch neue Perspektiven auf die Konstitution der Frühromantik sowie Friedrich und Dorothea Schlegels Entwicklung nach der Konversion 1808. Im Folgenden werden diese Briefe im Hinblick auf die Thematisierung Friedrich Schlegels – die von der Auseinandersetzung mit Dorothea Schlegel nicht zu trennen ist, denn von beiden entwerfen die Briefe Psychogramme – sowie im Hinblick auf ihre Funktion innerhalb des Familienbriefnetzwerks und auf Ihre Kontexte untersucht, die auch Praktiken der (Früh-)Romantik berühren.

Jg. 43, H. 1 – Sammelheft – Mit Beiträgen von Felix Lempp, Antje Schmid, Jule Thiemann, Jörg Petersen, Justin Mohler, Carsten Jakobi sowie einer Vorstellung des neuen Herausgeber:innen-Teams der Zeitschrift und einer Retrospektive auf die Geschichte von lfl von Bernhard Spies

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In eigener Sache, S. 1
Vorstellung des neuen lfl Herausgeber:innen-Teams, S. 3-11
Unser Selbstverständnis, S. 11

Bernhard Spies (Mainz/Deutschland)
Warum und wozu es literatur für leser:innen gab und immer noch gibt. Ein Blick in die Historie eines literaturwissenschaftlichen Periodikums, S. 13-16.

Felix Lempp/Antje Schmidt/Jule Thiemann (Hamburg/Deutschland)
Un/Geordnete Begegnungen zwischen Pflanzen, Menschen und Tieren in Lyrik und Prosa der Gegenwart, S. 17-37.

Abstract
Der Beitrag umreißt an Beispielen aus den Schriften Carl von Linnés und Michel Foucaults theoretische Konzeptualisierungen taxonomischer Klassifikationen zwischen Ordnungsanspruch und systeminhärenten Widersprüchen und konturiert so die spezifisch poetischen Potenziale der Taxonomie als literarischer Form und Verfahrensweise. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen beschreibt er sodann am Beispiel von Lola Randls Roman Der große Garten (2019) und Mara-Daria Cojocarus Lyrikband Buch der Bestimmungen (2021) die Spezifika einer Poetik der Taxonomie: Durch Aneignung und Subversion naturwissenschaftlicher Schreibformen inszenieren poetische Taxonomien in der Gegenwartsliteratur am Rand der Ordnungen und im Kollabieren etablierter Kategorien enthierarchisierte Begegnungen zwischen Pflanze, Mensch und Tier.

Jörg Petersen (Hamburg/Deutschland)
„Ergebt euch doch, ergebt euch einander“. Thomas Harlans Hiob-Rezeption, S. 39-56.

Abstract
In der Vielzahl der literarischen Bearbeitungen des Hiob-Themas, die vor allem nach dem Holocaust Konjunktur haben, ist die Thomas Harlans besonders originell. Gleichwohl hat sie in der Literaturwissenschaft keine Beachtung gefunden. Die vorliegende Untersuchung versucht, das nachzuholen. Dazu richtet sie sich nicht nur auf den zentralen Hiob-Text in Harlans Prosaband, sondern auch auf Harlans beide Romane, in denen Hiob ebenfalls, wenn auch nicht so ausführlich wie im Prosaband thematisiert wird. Es zeigt sich mit Blick auf die Jahrhunderte währende und bis in die Gegenwart sich erstreckende und an Hiob entzündende theologische und philosophische Theodizee-Debatte, dass Harlans Hiob-Figur den Hiob der Bibel unter performativem Aspekt in neuem Licht erscheinen lässt.

Justin Mohler (Manchester/New Hampshire, US)
Contagious Becomings: Carmen Stephan’s Mal Aria, S. 57-71.

Abstract
Abstract
Carmen Stephan’s debut novel, Mal Aria (2012), is notable not least of all for its surprising narrator: the much-maligned mosquito. Given our shared history, this perspective could easily devolve into misanthropy. However, the narrator’s relationship with Carmen, her malaria-stricken victim, is in fact deeply ambiguous. Although gifted with the power of self-reflection, she struggles in vain to save Carmen as doctors repeatedly fail to recognize the disease ravaging her body. This article argues that the physicians’ failure, read through the lens of Deleuze and Guattari’s notion of becoming-animal, stems from the blind application of their expertise and subsequent refusal to engage meaningfully with the world on which that knowledge is predicated. Entranced by a hierarchical epistemology based
on chimeric individuality and thus unable to unite theory with an openness to the world, they are rendered at best ineffectual, and at worst, complicit in Carmen’s eventual death.

Carsten Jakobi (Mainz/Deutschland)
„Einem Blutbade entgiengen sie, um in ein andres zu gerathen“ – Zirkuläres Erzählen in Voltaires Candide und in Johann Carl Wezels Belphegor, S. 73-86.

Abstract
Abstract
Johann Carl Wezel, einer der wichtigsten Autoren der deutschen Spätaufklärung, legte 1776 mit seinem Belphegor einen Roman vor, der in der zeitgenössischen und der späteren Rezeption als ‚deutscher Candide‘ bezeichnet und verstanden wurde. Der Aufsatz geht der Frage nach, inwiefern die von Wezel formulierte Kritik über Voltaires Skepsis am Vernunftidealismus hinausgeht und welcher erzählerischen Formen er dazu entwickelt. Die Bedeutung Wezels im deutschen und europäischen literarischen Kontext soll so unter einer erzähltheoretischen Perspektive transparent gemacht werden: Die doppelte Zirkularität (der Ereignis- und der ideelle Zirkel) stiftetet als Modus der Kritik eine weitgehend traditionslos gebliebene satirische Form der Sinnverweigerung.

JG. 42, H. 3 – Themenheft „‚Musse pfeiffe inne Wind.‘ Gerhard Henschel zum 60. Geburtstag“ – Mit Beiträgen von Ingo Cornils, Gerhard Henschel, Andreas Solbach, Manuel Förderer, Peter C. Pohl und Kay Wolfinger

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Ingo Cornils (Leeds/Vereinigtes Königreich)
Editorial, S. 189-194

Gerhard Henschel (Hamburg/Deutschland)
Aus dem Schelmenroman: Vorabdruck einer Passage, die im Frühling 1994 spielt, S. 195-198

Andreas Solbach (Mainz/Deutschland)
Keine vita nova: Gegenwartscollage als Vergangenheitsbewältigung in Gerhard Henschels Jugendroman, S. 199-214

Abstract
Der Artikel versucht, mit Hilfe einer genauen und ausführlichen narratologischen Analyse die Umsetzung der vielfältigen Entwürfe eines ‚neuen Lebens‘ in den 1970er Jahren bei Henschel zu diskutieren. Dabei wird deutlich, dassden andauernden ideologischen Diskursen der deutschen Geschichte seit der Jahrhundertwende zwar eine stark subjektive negative Kritik entgegengestellt wird, die sich aber, dem noch sehr jugendlichen Alter des homodiegetischen Helden, aber auch den gesellschaftlichen Möglichkeiten der Zeit entsprechend, nur teilweise durchsetzen kann.

Manuel Förderer (Münster/Deutschland)
„A creature void of form“. Zur Bedeutung von Bob Dylan in Gerhard Henschels Schlosser-Romanen, S. 215-230

Abstract
Der Aufsatz zeichnet anhand dreier thematischer Komplexe nach, welche Rolle Texte und Musik Bob Dylans innerhalb des autobiographischen Romanprojekts um Martin Schlosser spielen. Zunächst wird untersucht, wie Dylans Lyrics die erzählten Spannungen zwischen Vergangenheit und Zukunft, wie sie sich exemplarisch im Verhältnis des Erzählers zu seiner Familie zeigen, motivisch rahmen; sodann wird aufgezeigt, wie durch den Zugriff auf Dylans Texte thematische Einheiten innerhalb der Romane konstituiert und somit teils disparate Passagen verknüpft werden. Abschließend rücken Adaptions- und Übersetzungspraktiken, derer sich der Erzähler in Bezug auf Dylans Songtexte bedient, in den Blick, wobei an entsprechenden Stellen auch weitere Texte Henschels berücksichtigt werden sollen. Der Aufsatz dokumentiert eine gleichfalls passgenaue wie vielschichtige Montagepraxis innerhalb
der Schlosser-Romane und erarbeitet grundlegende Einsichten in die intertextuelle Verfahrensweise Henschels.

Peter Pohl (Innsbruck/Österreich)
Der west-östliche Bildungsroman der Gegenwart. Ein Vergleich von Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe. Bildungsroman (2012) und Gerhard Henschels Bildungsroman (2014), S. 231-248

Abstract
Gerhard Henschels autofiktionaler Romanzyklus um Martin Schlosser weist neben diversen anderen Texten auch einen Bildungsroman auf; allerdings stellt sich die Frage, inwieweit der Titel auch als Gattungsbezeichnung ernst zu nehmen ist. Die Gründe, die dagegen sprechen, sind zahlreich und gewichtig. Der vorliegende Aufsatz versucht nicht erst, diese Gründe zu entfalten, sondern verfolgt einen anderen Weg: Ausgehend von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre und einer Gattungsdiskussion und -neubestimmung des Bildungsromans liest er Henschels Text als einen Bildungsroman der Gegenwart und fundiert seine Lektüre im Vergleich mit einem anderen zeitgenössischen Text, der sich zwar auch Bildungsroman nennt, gleichfalls aber am ehesten noch als Genre-Parodie für die Bildungsromanforschung brauchbar scheint: Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe. Bildungsroman. Das Ziel ist es, einerseits die Bildungsromanforschung an die Gegenwart heranzuführen, andererseits die Notwendigkeit des Genres für die Reflexion der gesamtdeutschen Gegenwart mit ihren ästhetisch-medial-kulturellen Spezifika aufzuzeigen. Dabei fällt auf: Wie der Bildungsroman Goethes bildet(e) sich die deutsche Gegenwart weder nur integrativ und harmonisch noch nur desintegrativ und disharmonisch.

Kay Wolfinger (München/Deutschland)
Gerhard Henschel in der Schreibschule von Walter Kempowski – Auszug aus den Notizen, S. 249-262

Abstract
Der Beitrag macht auf die Nähe Gerhard Henschels zum Schriftsteller Walter Kempowski aufmerksam und durchkämmt die jeweiligen Werke auf wechselseitige Spuren. Zudem arbeitet er mit Fundstücken und Interviewmaterial und will sowohl die Henschel-Forschung inspirieren als auch der Kempowski-Forschung neue Impulse geben: Die von Kempowski veranstalteten Literaturseminare in Nartum, die auch in den Martin-Schlosser-Romanen Henschels ihren Niederschlag gefunden haben, sind ein noch unbeleuchtetes Forschungsthema.


Jg. 39, H. 1 – Themenheft „Literatur und Geologie“, hg. v. Jason Groves. Mit Beiträgen von Jason Groves, Timothy Attanucci, Erika Schellenberger-Diederich, Sabine Frost, Rochelle Tobias, Ilana Halperin

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Jason Groves (Seattle/Washington)
Introductory Essay: Literature and Geology: An Inclination, S. 1-8

Timothy Attanucci (Mainz)
Wer hat Angst vor der Geologie? Zum Schicksal der ‚geologischen
Kränkung‘ in der Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel von
Willem Frederik Hermans, Max Frisch und Peter Handke
, S. 9-24

Erika Schellenberger-Diederich (Marburg)
„Zwischen den träumenden Blaubasaltfelsen“: Geopoesien bei Peter
Kurzeck, Thomas Hettche, Peter Handke und Christoph Ransmayr
, S. 25-42

Sabine Frost (Seattle/Washington)
Autobiographisches Schreiben als Vergletscherung des Ich:
Adalbert Stifter Die Mappe meines Urgroßvaters
, S. 43-60

Rochelle Tobias (Baltimore/Washington)
The Untamed Earth: The Labor of Rivers in Hölderlin’s Der Ister, S. 61-84

Ilana Halperin (Glasgow)
A Mineral Biography of the City, S. 75-76

Jg. 38, H. 4 – Mit Beiträgen von Kathrin Geist, Ellwood Wiggins und Eva-Maria Konrad

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Kathrin Geist (Bamberg)
Heile Bergwelt? Der Raum Alpen als locus anti-utopia in Arthur Schnitzlers Das weite Land und Thomas Manns Der Zauberberg, S. 235-254

Ellwood Wiggins (Seattle/Washington)
Cold War Compassion: The Politics of Pity in Tom Stoppard’s Neutral Ground and Heiner Müller’s Philoktet, S. 255-270

Eva-Maria Konrad (Frankfurt/M.)
„Kein Ich kommt auf, natürlich nicht.“ Identitätssuche und Ich-Konstitution in Christa Wolfs Nachdenken über Christa T., S. 271-292

Jg. 38, H. 3 – Themenheft „Wolfgang Hildesheimer“, hg. v. Stephan Braese. Mit Beiträgen von Klaus Vogel, Jost Eickmeyer, Walter Kühn, Stephan Braese, Maren Jäger und Thomas Wild

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Stephan Braese
Editorial: Wolfgang Hildesheimer, S. 145-148

Klaus Vogel (Sassari/Sardinien)
Hildesheimers ‚Gesammelte End-Spiele, S. 149-168

Jost Eickmeyer (Berlin) & Antje Tumat (Basel)
„…, als habe dort niemals eine Insel gestanden.“ Wolfgang Hildesheimers und Hans Werner Henzes Das Ende einer Welt als Erzählung und Rundfunkoper, S. 169-186

Walter Kühn (Koblenz-Landau)
Es ist auch keines“ – Wolfgang Hildesheimers Spiele, in denen es dunkel wird im Spiegel des Heidegger-Mottos, S. 187-198

Stephan Braese (Aachen)
Abwehr des Dokumentartheaters: Mary Stuart, S. 199-208

Maren Jäger (Flensburg)
Die Konstituierung der monologischen Prosa Wolfgang Hildesheimers, S. 209-224

Thomas Wild (Bard College/New York)
Unbewusstes Aufnahmevermögen. Wolfgang Hildesheimer über
Wirklichkeit und Einbildungskraft
, S. 225-233